Winzige Lichtpunkte schaukeln in der Dunkelheit auf den sanften Wellen des Mittelmeeres. Boote sind in der mondlosen Nacht nicht auszunehmen, und menschliche Konturen erst recht nicht. Griechische Fischer haben sich im Schatten der Steilküste der Sporadeninsel Skopelos nicht weit vom Hafenort Loutraki versammelt, laden phosphoreszierende Köder im Licht der Laternen auf und lassen sie an langen Schnüren hinab auf den Meeresgrund. Hier ist das Mittelmeer besonders tief. Die Chancen sind gut, reichlich Beute zu machen: Calamares-Jagd vor der Nordküste.

Die knallroten männlichen Tintenfische reagieren auf das Leuchten des Köders, umklammern ihn mit ihren Tentakeln und sitzen in der Falle. Lautlos und gleichmäßig zerren die erfahrenen Fischer die langen Leinen nach oben, hebeln die Calamares blitzschnell aus dem Wasser und gehen in Deckung, sobald die Tiere an Bord sind: Sie haben ihre Tinte zwar längst im Meer verspritzt, sich jedoch auf dem Weg an die Oberfläche mit Wasser gefüllt, das sie dann an der Luft hektisch und mit Wucht verschießen - für die Fischer oft eine feuchte Angelegenheit. Die Calamares sind Opfer ihres Triebes geworden. Sie haben den glimmenden Köder für das Signal eines paarungsbereiten Weibchens gehalten und ihn prompt umklammert.

Wenig später brutzeln sie in der Pfanne einer Taverne. 15 kg pro dreistündiger Fangfahrt kommen bei den Profis leicht zusammen - ein bißchen weniger, wenn sie Touristen mit auf ihre Boote nehmen und in die Geheimnisse des Tintenfischfanges einweihen. Schließlich muß Zeit bleiben, an Bord noch mit einem Ouzo auf die erste Beute anzustoßen. Das ist dann auch der rechte Augenblick für das Spinnen von Seemannsgarn, zum Plaudern und Erzählen der Legenden. Und der Wind trägt die Gedanken fort . . .

Die Bevölkerung des nur 96 km² großen Eilands, das in der Antike Peparinthos hieß, ist bis heute sehr religiös. Knapp 100 Kirchen und Kapellen gibt es alleine im Hauptort Skopelos-Stadt, rund 320 auf der gesamten Insel - und das bei nur etwa 5000 Einwohnern. Skopelos liegt knappe 150 km Luftlinie von Athen entfernt, verfügt über ein Netz asphaltierter Straßen von weniger als 50 km Länge, gehört zur Inselgruppe der nördlichen Sporaden und liegt doch ein wenig abseits von den ganz großen Touristenströmen.

Abseits der Touristenströme

Denn es gibt hier keinen Flughafen. Wer auf Skopelos Urlaub machen will, muß die Nachbarinsel Skiathos anfliegen und von dort in gut 45 Minuten mit dem "Flying Dolphin", einem Tragflächenboot, übers Mittelmeer herüberreiten.

Steil fällt die Küste am Rande der Altstadt ab. Kaum ein Fremder findet nach Sonnenuntergang den Weg durchs Gewühl der steilen und engen Gassen hierher den Hang hinauf: nur die, die ohnehin in der Altstadt wohnen - und das nicht in Hotels, sondern in kleinen, weißgetünchten Häuschen. Jedes davon ist im Schnitt zwischen 40 und 50 m² groß, zwei bis drei Geschosse hoch, verfügt über Innenhof oder Terrasse und einen kleinen Balkon. Rund 30 Privathäuser in der Altstadt werden mittlerweile wochenweise an Fremde vermietet. Die Preise sind moderat. Häuschen mit Platz für zwei Personen gibt es außerhalb der Hochsaison bereits für weniger als öS 3000,- pro Woche.

Urlaub mitten im Inselalltag: Wäscheleinen spannen sich von Dach zu Dach, Fernsehantennen recken sich in den Himmel. Die Alten hocken auf kleinen Holzstühlen vor den Häusern und palavern. Die Kinder spielen auf engen Plätzen Fußball, und selbst die beiden Männer, die auf Eseln durch die Altstadtgassen geritten kommen, überraschen niemanden. Nachts teilen sich Katzen und Eulen die Herrschaft über die Altstadtdächer. Die einen turnen über die wie Schachteln aufgestapelten Häuser am Hang. Die anderen haben die Lufthoheit über Skopelos-Stadt. In kleinen Werkstätten arbeiten Silberschmiede, Schneider, Bäcker. Postkarten und das touristische Souvenirangebot gehören nicht zu ihrem Repertoire. Wer so etwas sucht, muß die Gassen hinabsteigen Richtung Hafenpromenade.

Langsam schweift der Blick über die schmalen, teils nur vom Meer aus zugänglichen Badebuchten. Die Phantasie zaubert tanzende Lichter aufs Wasser. Und die Erinnerung singt das Lied des Calamares-Fischers. (Der Standard, Printausgabe)