Bild nicht mehr verfügbar.

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. bei einem Festakt der Universität Wien, wo ihm Würde des Ehrendoktorates verliehen wurde.

Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Die Insel der Theologen

Gleich zu Beginn seines Österreich-Besuches am Donnerstag verkündete das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christenheit, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I., die guten Nachrichten: Die Theologische Akademie auf der Insel Chalki (Halki, türkisch: Heybeli) in Istanbul werde wieder eröffnet, erklärte der Patriarch in Wien.

Die "Lage mit der heutigen Regierung" (von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan) sei eben "viel besser": Vor 33 Jahren hatte die damalige türkische Regierung diese bedeutendste geistliche Ausbildungsstätte der orthodoxen Kirchen per Verfügung geschlossen.

DER STANDARD schaute sich vor Ort um: Metropolitan Apostolos Daniilides, Abt des Klosters, das die Hochschule beherbergt hatte, rechnet mit einer Aufnahme des Lehrbetriebes noch in diesem Herbst. "Wir haben zwar noch keinen offiziellen Bescheid", sagte der Metropolitan, doch die Signale aus der Regierung in Ankara seien ermutigend.

Die Hochschule, die in ihren besten Zeiten rund 120 Schüler und Studenten umfasste, ist eine ehrwürdige Institution noch aus der Zeit des Osmanischen Reiches. Sie wurde 1844 gegründet, um den Nachwuchs an Priestern und Diakonen für die zu der Zeit noch mehrere Hunderttausend griechische Christen umfassenden orthodoxen Gemeinden in Konstantinopel und dem übrigen osmanischen Reich zu gewährleisten.

Die Hochschule überstand nahezu ohne Unterbrechung alle politischen Umbrüche bis 1971. Der Untergang des Osmanischen Reiches, die griechische Besatzung Westanatoliens nach dem Ende des Weltkrieges I., den türkischen Unabhängigkeitskampf und den anschließenden Bevölkerungsaustausch bei dem der größte Teil der Griechen die Türkei verlassen musste, konnten ihr nichts anhaben.

Zypern-Konflikt

Der Niedergang begann, als in den 50er-Jahren viele Griechen Istanbul verließen. Als Reaktion auf die Unterdrückung der türkischen Minderheit auf Zypern kam es zu Ausschreitungen gegen die Griechen in Istanbul, der Zypern-Konflikt führte schließlich 1971 zur Schließung der Hochschule. Mit der Verbesserung der türkisch-griechischen Beziehungen und der Annäherung der Türkei an die EU war seit einiger Zeit Jahren die Wiedereröffnung im Gespräch.

"Wir sind darauf vorbereitet", sagt Metropolitan Daniilides, und ein Rundgang auf Heybeli bestätigt seine Aussage. Die Klassenräume und die Bibliothek machen den Eindruck, als könne der Unterricht morgen wieder beginnen. Vor allem die Bibliothek ist ein Kleinod, in der bis zu 500 Jahre alte Folianten der byzantinischen Kirche verwahrt werden.

Bislang war eine Wiedereröffnung der Schule auch immer daran gescheitert, dass das Patriarchat und die jeweiligen türkischen Regierungen sich über den rechtlichen Status nicht einigen konnten. Während Ankara die Ausbildungsstätte an die theologische Fakultät der Istanbuler Universität angliedern wollte, pochte der Patriarch auf die Unabhängigkeit der Ausbildung.

Unterstützung bekam er dabei nicht nur aus Griechenland, sondern von der EU insgesamt. Selbst der frühere US-Präsident Clinton verwandte sich in Ankara persönlich für die griechische Hochschule. Nach Angaben des Metropolitan hat die Regierung jetzt zugestimmt, dass die Hochschule formal dem Bildungsministerium unterstellt wird, ansonsten aber autonom arbeiten kann. Damit wird die berühmte Hochschule von Heybeli wohl noch rechtzeitig zur EU-Entscheidung über die Türkei ihre Pforten wieder eröffnen. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2004)