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Der Strand von Aliki

Foto: Archiv
Den Komplex trage ich seit Jahren mit mir herum: Wenn im lieben Freundeskreis besprochen wird, auf welche griechische Insel sich in diesem Jahr der mondäne Liesinger, der globetrottende Meidlinger, der hippe Simmeringer zu begeben hat, sitze ich still da und schäme mich. "Nächstes Jahr fahren wir wieder einmal nach Bumsti", sagt Freund X., "da würdest du schauen, wie verbaut Bumsti schon ist", sagt Freundin Y. Ich war bis zu dem glücklichen Zeitpunkt, da ich nach Thassos kam, erst auf einer einzigen griechischen Insel gewesen, leider weiß ich nicht mehr auf welcher (Freundin Z. weiß es). Die Sache begann mich spätestens zu interessieren, als ich hörte, dass Thassos der Bruder der Europa sei, fesche Brüder haben mich immer interessiert. Aber jetzt im Ernst, obwohl mir der Vergleich fehlt, glaube ich aufs Wort, dass es sich bei Thassos um eine der schönsten Inseln überhaupt handelt: Die Selbstbezeichnung "Grüner Smaragd" hat zwar durch die großen Waldbrände vor zwanzig, dreißig Jahren gelitten, nicht überall ist Thassos mehr bewaldet, wobei im Süden ohnehin eher die typische Macchia überwiegt und an der Westküste streckenweise die Vegetation eines ehemaligen Sumpfgebietes. Wenn man sich Thassos mit der Fähre vom Festland nähert - bekanntermaßen die einzig politisch korrekte Art, auf Inseln anzureisen, auf Thassos die einzig mögliche - sieht man die großen Brandschneisen, die überall in die bewaldeten Berghänge geschlagen sind, um neue Katastrophen zu verhindern. Aber grün ist es überall auf der Insel, grün und bunt von blühendem Gesträuch und Blumen. Als ich im Mai dort war, stand gerade der wilde Ginster in großen Mengen in Blüte.

Eine Pracht, dabei gibt es noch prächtigere Saisonen auf Thassos als gerade das Frühjahr 2004: Nach einem ungewöhnlich schweren Winter mit Temperaturen von bis zu 16 Grad minus müssen sich die Palmen und andere vegetabile Südländer erst wieder erholen. So ist das eben, die nördliche Lage macht's - von Thassos blickt man außer aufs Festland auch auf Samothraki und Athos - aber auch möglich, dass aus den Thassischen Wasserhähnen bestes Trinkwasser rinnt. Die Salzstorys, die man so von anderen griechischen Eilanden hört, wird man hier vergeblich suchen. Die Süßwasserdusche nach dem Bade ist garantiert.

Wobei wir bei der Frage wären, was man auf so einer im Wasser gelegenen Aufschüttung überhaupt tut (genau diese Frage war es, die bisher meine Annäherung an griechische Inseln verhindert hat). Also, auf Thassos geht man natürlich wohl auch erst einmal baden, wenn auch nicht zu früh im Jahre. Die diversen Strände bitte ich woanders nachzuschlagen, mir ist nur in Erinnerung geblieben, dass der Parádissos der schönste mit dem feinsten Sand und den meisten Nackerten sein soll, genauer gesagt, dort gibt es eine FKK-Sektion (womit ich mit Thassos bei Freund X. und Freundin Y. ungeheuer gepunktet habe, das haben sie auf ihrer Insel nicht). Aber Thassos ist das Gegenteil von jenen Inseln, wo sich aufgrund von landschaftlicher und sonstiger Fadesse alles an den Stränden konzentriert. Man kann dort schön spazieren gehen bis zu ambitioniert wandern und vom Ipsarion immerhin aus 1204 Metern Höhe aufs Meer schauen. Auch die kulturelle Schiene kann man bewusst fahren oder auch nur mitnehmen - etwa die Antiken in Thassos Stadt besichtigen oder die Überreste der frühchristlichen Kirchen in Alikí, ein verzauberter Ort, von dem man auf einen vor Jahrhunderten aufgelassenen Marmorsteinbruch sehen kann. Der Thassische Marmor ist weiß und glänzend wie Schnee, als Motiv verfolgt er einen während des ganzen Inselaufenthalts. Auch ins berühmte Erzengelkloster bei Potós wird man pilgern und (angetan mit einem ausgeliehenen Röckchen, denn Weibspersonen in Hosen hat der liebe Gott der Orthodoxie nicht gern) die pittoreske Aussicht genießen.

Die im Landesinneren liegenden Orte - das karge Theológos oder das grüne Kazavíti mit seinem Hauptplatz wie ein Wohnzimmer unter den Bäumen - können nicht anders als entzückend genannt werden, abgesehen davon, dass man sich dort bei Ziegenbraten von den kulinarischen Oktopusattacken der Küste erholen kann, wenn man das denn will. Vom griechischen Inselessen habe ich mein Lebtag nicht viel Herausragendes gehört von meinen versierten Freunden, die Überraschung war angenehmer Natur, nichts besonders Raffiniertes, aber alles von guter Qualität. Und nach ein paar Tagen gewöhnt man sich auch an das Griechische-Schlager-Gedudel, ohne das es offensichtlich nicht geht.

Größere Hotelanlagen gibt es nur drei auf der Insel, wobei Makryammos eher den Charme einer Jugendherberge aufweist (auch darf man nicht zimperlich sein, wenn man mit der dort offensichtlich von Asseln - sind übrigens Krebstiere, wenn Sie das beruhigt - dominierten Fauna konfrontiert wird), das im Westen gelegene Ilio Mare Beach ist aus eigener Anschauung zu empfehlen, und mit dem Alexandra Beach kann einem wohl auch nichts passieren. (Gudrun Harrer/Der Standard/rondo/11/6/2004)