"In dieser Form ist der Vorgang sicherlich unrealistisch", meint dazu der Leiter des Wiener Instituts für Hirnforschung, Hans Lassmann. Denn das menschliche Gehirn verfüge nicht über einen bestimmten Ort für eine Erinnerung, sondern arbeitet im Netzwerk. Viele verschiedene Teile sind dafür verantwortlich, ob und in welcher Form wir uns an Erlebnisse erinnern können. Frische Eindrücke gelangen zuerst einmal in den Hippocampus im vorderen Teil des Gehirns und die umgebenden Temporallappen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, deren Hippocampus entfernt oder zerstört wird, keine neuen Erinnerungen formen können.
Komplexe Prozesse
Damit dann aus frischen Eindrücken und Erfahrungen tatsächlich gespeichertes Wissen wird, muss eine Reihe von komplexen Prozessen ablaufen: Durch das Eintreffen von Reizen entsteht ein Gemisch aus chemischen Substanzen, das die Nervenzellen elektrische Signale abfeuern lässt. Der elektrische Impuls beginnt, zwischen den Schaltstellen verschiedener Nervenzellen, den so genannten Synapsen, zu kreisen. Dabei bewegt er sich in bestimmten, sich wiederholenden Bahnen und hinterlässt molekulare Spuren, die sich chemisch im Gehirn einprägen. Die zuerst noch nicht stabil zusammengeschalteten Nervenbahnen festigen sich. Es entstehen solide Verbindungen, die später zum Abrufen von Wissen beansprucht werden können.
Die Konsolidierung passiert vor allem in Ruhephasen. Im Tiefschlaf ist das Gehirn weit gehend abgeschirmt von neuen Sinneseindrücken und kann Nervenzellen in Ruhe verknüpfen.
"Örtlich verteilen sich diese Langzeit-Speichereinheiten des Gehirns über die gesamte Großhirnrinde", beschreibt Lassmann. Zwar könne man über moderne Bildverfahren nachweisen, dass jeweils andere Gehirnregionen besonders aktiv sind, je nachdem welche Form von Wissen ein Mensch aufrufen möchte. Erinnerungen zu löschen, indem beim Abrufen bestimmter Erlebnisse aktive Zellen ausgeschaltet werden, funktioniert aber, selbst wenn es technisch möglich wäre, aufgrund der Verschachtelung des Gedächtnisses nicht.
Man kann nicht davon ausgehen, dass eine Zelle nur für eine einzelne Erinnerung eine Rolle spielt, im Gegenteil: Meist wird sie auch in anderen neuronalen Netzen gebraucht. Einmal gefestigt, sind Langzeiterinnerungen zwar relativ stabil, trotzdem aber noch dynamisch formbar, meint Lassmann. "Der Inhalt einer Erinnerung muss nicht dem ursprünglichen Erlebnis entsprechen", beschreibt er ein Phänomen, das wahrscheinlich jeder schon bei sich selbst beobachten konnte.
Gezielt umgeschrieben
Ältere Einspeicherungen könnten auch gezielt umgeschrieben werden, indem man etwa einem Vorfall absichtlich eine andere Konnotation gibt, beschreibt der Wiener Hirnforscher. Ebenso sei es möglich, den Zugang zu Erinnerungen plötzlich nicht mehr zu finden, indem man - bildlich gesprochen - das Stichwort vergisst, unter dem die Inhalte abgelegt wurden.