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Das derzeitige Stützungssystem für den Zuckerrübenanbau in Europa dürfte nicht mehr lange halten

Foto: dpa/Weihrauch
Brüssel/Wien - Das derzeitige Stützungssystem für den Zuckerrübenanbau in Europa dürfte nicht mehr lange halten. Die Marktordnung - sie umfasst strikte nationale Mengenregelungen plus einen EU-Interventionspreis - ist immer häufiger Anfechtungen ausgesetzt.

Nicht zu halten, so die Experten, ist der EU-Zuckerpreis aus zumindest zwei Gründen: Der aufgrund von Preisstützungen relativ hohe Zuckerpreis erregt die Gemüter von verarbeitender Industrie und Verbraucherorganisationen. Außerdem steigt der internationale Druck auf die EU-Zuckerpolitik, führte EU-Agrarkommissar Franz Fischler letzte Woche bei einer Zuckerkonferenz aus: "Fördermaßnahmen müssen künftig so wenig wie möglich markt- und handelsverzerrend sein, damit sie akzeptiert werden."

Druck von der WTO

Was weiter Druck macht: eine noch heuer ausständige Entscheidung des Schiedsgerichts der World Trade Organisation (WTO), bei dem die Produzenten Australien, Brasilien und Thailand Klärung darüber wollen, ob der Export von Zucker durch die hohen Preise für "Quotenzucker" querfinanziert wird.

Denn die EU ist ein maßgeblicher Akteur auf dem Weltzuckermarkt: Sie stellt weltweit 13 Prozent der Erzeugung, zwölf Prozent des Verbrauchs, 15 Prozent aller Aus- und fünf Prozent aller Einfuhren.

Kartenhaus

In Österreich sehen Vertreter von Rübenbauern die Entwicklung naturgemäß kritisch. "Die Zucker-Marktordnung ist ein geschlossenes System. Wenn man das weiter öffnet, fällt es wie ein Kartenhaus zusammen", sagt Josef Pinkl, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Rübenbauernorganisationen. Schon mit dem derzeitigen System sei es zu massiven Rückgängen gekommen.

Allerdings ist eine Rüben-/ Zuckerproduktion zu Weltmarktpreisen in Europa nicht möglich, weiß auch Pinkl. Der EU-Interventionspreis für Weißzucker beträgt 630 Euro/ Tonne; die Preise von Least Developed Countries liegen bei 200 bis 250 Euro je Tonne.

Agrana-Generaldirektor Johann Marihart, auch Präsident des Verbandes der Europäischen Zuckerindustrie, geht in einem Artikel in der Agrarischen Rundschau davon aus, dass es auch bei einer Fortführung des Quotensystems zu Produktionskürzungen von derzeit 20 auf unter zehn Millionen Tonnen kommen werde.

Gegen eine totale Liberalisierung spricht sich Fischler jedoch aus. Europa würde dann nämlich vom weltweit größten Zuckerproduzenten Brasilien abhängig werden. Das Land hätte genug Kapazität, um ganz Europa mit Rohrzucker zu versorgen. (Johanna Ruzicka, Der Standard, Printausgabe, 01.06.2004)