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Wilfried Seipel, Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums: "Habe immer im Sinne des Museums gehandelt"

Foto: Apa/Schneider

DER STANDARD blätterte im kürzlich ausgelieferten Rohbericht des Rechnungshofs über das Kunsthistorische Museum und entdeckte abenteuerliche Geschichten. Generaldirektor Wilfried Seipel empfindet die Kritikpunkte als nicht weiter tragisch.

Wilfried Seipel, Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums, erlaubte sich nach Darstellung eines Rohberichts des Rechnungshofs einige Eigenmächtigkeiten.

So hätte das KHM sechs altägyptische Grabbeigaben als Konvolut erwerben müssen, obwohl es nur an vieren interessiert gewesen sei. Nach der Inventarisierung kaufte Seipel dem KHM, dessen alleiniger Geschäftsführer er ist, die zwei übrigen Stücke ab, obwohl sie bereits "unveräußerliches Gut" geworden waren. Seipel unterzeichnete zudem einen Kaufvertrag für eine Sphinx um vier Millionen Dollar, obwohl er zum damaligen Zeitpunkt (das KHM war noch nicht ausgegliedert) nicht dazu befugt war, und verlieh Bilder, die laut Erlass nicht verliehen werden dürfen.

Doch das ist nicht alles. Jede der knapp 90 Seiten sei "eine Delikatesse", ist man im Rechnungshof überzeugt: Vor ein paar Tagen wurde der bereits im Februar fertig gestellte "Rohbericht" über das Kunsthistorische Museum mit dem Sanktus von Präsident Franz Fiedler ausgeliefert. In der kompletten Länge.

Beleuchtet haben die Prüfer eine äußerst spannende Phase: Mit dem Jahreswechsel 1998/1999 erhielt das KHM die Vollrechtsfähigkeit, und 2001 wurden das Völkerkunde- und das Theatermuseum übernommen. Die Grünen glaubten 2002, eine nicht ordnungsgemäße Buchführung und Bilanzierung festgestellt zu haben – und ließen dem RH brisante Hinweise zukommen. Der RH kritisiert denn auch die Buchführung, was Seipel allerdings – wieder mit dem Verweis auf das Testat des KHM-Wirtschaftsprüfers – nicht gelten lässt: "Der RH-Bericht zeigt, dass sich die Geschäftsführung grundsätzlich nichts vorzuwerfen hat."

DER STANDARD nahm Einschau. Aus der Fülle an Kritikpunkten konnte er nur einige herausgreifen, um Seipel mit ihnen zu konfrontieren:

  • Im Herbst 1998 wollte Seipel eine Sphinx um vier Millionen Dollar erwerben. Diese Summe konnte das Museum, damals nur teilrechtsfähig, nicht aufbringen. Das Bezahlen in Raten war aber nicht gestattet worden. Dennoch schloss Seipel den Vertrag ab. Laut RH soll diese Sphinx weder als Anlagevermögen noch als weiterhin offene Verbindlichkeit ausgewiesen worden sein. Seipel: "Zwei Monate später, nach der Ausgliederung, wäre der Vertrag rechtmäßig gewesen. Aber da wäre das Objekt bereits an ein anderes Museum gegangen." Der RH wundert sich dennoch – weil die Sphinx auf Mallorca von einem Händler erworben wurde, der ansonsten nie derart hohe Umsätze gemacht haben soll. Zudem wurde die Statue in einem Lieferwagen von Mallorca nach Wien transportiert, was nicht den Usancen entspricht.

  • Im Dorotheum erwarb das KHM sechs Uschebtis als Konvolut. Sie wurden inventarisiert. Danach kaufte Privatmann Seipel vom Geschäftsführer Seipel zwei dieser Grabbeigaben. Was der RH massiv kritisiert. Denn dem Museum ist es verboten, Sammlungsgut zu veräußern. Seipel wendet ein, dass nur vier Uschebtis inventarisiert werden sollten, weil die zwei weiteren Doubletten seien. Ein Fehler der Dame, die das Inventar betreut. Laut RH sollte dieser aber geschickt retuschiert worden sein: Die Inventarnummern wurden nicht gelöscht (was aufgefallen wäre), sondern "gefundenen Leinwänden" zugewiesen.

  • Seipel verlieh einige Bilder, darunter die unbezahlbare Malkunst von Vermeer, zum Teil wiederholt ins Ausland, obwohl die Restaurierwerkstätte aus konservatorischen Gründen einmal Einspruch erhoben hatte. Zudem führt der RH einen Erlass aus dem Jahr 1971 an, demzufolge diverse Objekte, darunter auch der Vermeer, nicht verliehen werden dürfen. Seipel meint, dass der Erlass aufgrund der Ausgliederung obsolet geworden sei: Er, Seipel, habe die Letztverantwortung. Die Verleihung des Vermeers hatte zur Folge, dass umgekehrt auch teure Kunstwerke nach Wien kamen. Und es wurden bedeutende Geldmittel erwirtschaftet. Der RH hält dagegen, dass der Erlass nach wie vor gelte.

  • Der RH kritisiert, dass Seipels Dienstreisen "nur unzureichend dokumentiert" seien. Seipel kontert, dass er sich lediglich Flugtickets und Restaurantbesuche bezahlen ließ, aber nie Dienstreiserechnungen ausgestellt habe. "Ich habe auf die Tag- und Nachtsätze verzichtet und damit dem Museum viel Geld erspart. 13.000 Euro in drei Jahren!" Was man im RH ein wenig anders sieht. Denn die Restaurantrechnungen seien zum Teil sehr hoch gewesen, die Repräsentationskosten insgesamt sogar höher als jene der für das Museum zuständigen Ministerin.

  • Der RH stößt sich daran, dass der Geschäftsführer Seipel vom Privatmann Seipel dessen Mitsubishi für das Museum ankaufte: "Weder konnten Fahrtenbücher vorgelegt noch die Betriebsnotwendigkeit nachgewiesen werden. Eine stichhaltige Begründung, warum nach der Ausgliederung der PKW für das KHM angeschafft wurde, fehlte." Seipel: "Die Direktoren vergleichbarer Institutionen haben zusätzlich noch einen Chauffeur! Bis 1998 habe ich keinen einzigen Groschen Kilometergeld verrechnet. Aber ich bin kein Mäzen des Bundes. Und mit der Ausgliederung habe ich eben auf das Dienstauto bestanden. Es ist eine mittlerweile acht Jahre alte Kutsche."

  • Der RH stellte "kritisch fest", dass Seipels Geschäftsführerzuschlag von 1998 bis 2002 um das 2,5fache gestiegen sind. Dies erscheine trotz Mehrbelastung und größerer Verantwortung "beachtlich". Seipel kontert, dass nicht das Beamtengehalt, nur die nicht ruhegenussfähige Zulage derart gestiegen ist: "Ich finde die Bezahlung angemessen."
  • Für Beamten, "die unverschuldet in Not geraten sind", gibt es alljährlich eine weihnachtliche Geldaushilfe von einst 1000 Schilling, nun 80 Euro. Auch Seipel erhielt diese. Er sagt, er hätte nichts davon gewusst und verzichte selbstverständlich darauf. Dies hätte er längst tun können: Auch sein Kollege Gerbert Frodl, Direktor der Österreichischen Galerie, hatte die Geldaushilfe bekommen.

    Das ist spätestens seit dem 7. Februar 2002, als DER STANDARD über die heftige Kritik des RH berichtete, bekannt. (DER STANDARD, Printausgabe vom 29./30./31.5.2004)