Herr Ertugral ist ein Weltenbummler in Sachen Fußball.

Mattersburg - Ein Trainer-Kosmopolit soll dem österreichischen Fußball-Bundesligisten SV Mattersburg den Weg zu neuen Ufern weisen. Der Türke Muhsin Ertugral unterschrieb bei den Burgenländern einen Zweijahresvertrag mit Option auf ein weiteres Jahr und tritt damit die Nachfolge von Werner Gregoritsch an, dessen Vertrag nicht verlängert wurde. "Ich will in der kommenden Saison so schnell wie möglich 40 Punkte machen, dann können wir locker nach vorne sehen", kündigte der 45-Jährige an.

Treffen mit Ernst Happel

Ertugral kam als Sechsjähriger nach Deutschland, wo er studierte und seine Fußball-Karriere im Nachwuchs des 1. FC Köln startete. Weitere Stationen waren Union Solingen sowie ein kurzer Auftritt als Testspieler bei Standard Lüttich. Beim belgischen Klub machte er Bekanntschaft mit der damals dort unter Vertrag stehenden österreichischen Trainer-Legende Ernst Happel. Es folgten Engagements unter anderem bei Antalyaspor, ehe er 1989 seine aktive Laufbahn bei VfL Sindelfingen wegen einer Knieverletzung ausklingen ließ.

Stationen in Afrika

Die erste nennenswerte Station in der Trainerlaufbahn von Ertrugal, der neben Deutsch und Türkisch auch Englisch und Französisch spricht und seine Trainerlizenz in Deutschland erwarb, war Zaire (heute Demokratische Republik Kongo), wo er als Teamchef fungierte. Mit der Nationalmannschaft der ehemaligen belgischen Kolonie erreichte er 1996 das Viertelfinale im Afrika-Cup. Von 1999 bis 2003 betreute er den südafrikanischen Klub Kaizer Chiefs, mit dem er unter anderem 2001 den afrikanischen Cup der Cupsieger gewann. Zuletzt war der 45-Jährige im Vorjahr Coach des tunesischen Vereins Club Africain aus der Hauptstadt Tunis.

"Begeisternde Gespräche"

Mattersburg-Obmann Martin Pucher hofft, dass sein Klub von den Erfahrungen des "Trainer-Wandervogels" profitiert. "Wir wollen unseren Horizont in der Tabelle erweitern und in der nächsten Saison mit dem Abstieg nichts zu tun haben", sagte der Bundesliga-Vizepräsident, der bereits 1997 in seiner Eigenschaft als Manager von Didi Kühbauer Bekanntschaft mit Ertugral gemacht hatte. Damals war Ertugral sportlicher Leiter von Trabzonspor und wollte Kühbauer in die Türkei locken. "Es waren begeisternde Gespräche mit ihm, seither habe ich ihn nicht mehr aus den Augen verloren", betonte Pucher am Donnerstag bei der Präsentation des neuen Trainers.

Verhandlungen im Winter

Im vergangenen Winter schließlich verhandelte der neue SVM-Coach mit einem österreichischen Bundesligisten und bat Pucher um Rat. Dieses Engagement zerschlug sich, dafür landete Ertugral, der mit einer Deutsch-Schweizerin verheiratet ist, wenige Monate später in Mattersburg. "Er war bei mir immer in der Pole-Position, aber die endgültige Entscheidung, den Vertrag mit Gregoritsch nicht zu verlängern, habe ich erst nach dem 1:5 in Kärnten getroffen", meinte Pucher.

"Hier wird kein schlechter Fußball gespielt"

Sein neuer Trainer war nach eigenen Angaben seit vier Monaten in Österreich unterwegs und hat sich in dieser Zeit den "Background" des österreichischen Fußballs im Allgemeinen und von Mattersburg im Speziellen zu Gemüte geführt. "Die Österreicher könnten mehr Selbstvertrauen haben, hier wird kein schlechter Fußball gespielt", lobte Ertugral die Kicker-Qualitäten seines neuen Heimatlandes.

"Arbeit am mentalen Gerüst"

Das größte Manko des SVM hat der neue Coach schon ausgemacht. "Die Auswärtsschwäche hat mich erschreckt. Ich habe das 1:5 in Kärnten gesehen, das war katastrophal. Da müssen wir am mentalen Gerüst arbeiten", erklärte Ertugral angesichts der niederschmetternden Statistik von zuletzt zwölf Niederlagen in der Fremde en suite und plant wohl auch aus diesem Grund, zwei Mal täglich zu trainieren.

Verstärkungen aus Afrika

Die Burgenländer wollen nicht nur die sportliche Kompetenz, sondern auch die Kontakte von Ertugral nach Afrika nützen. So sollen für das kommende Spieljahr zwei Teamspieler aus Tunesien und Südafrika kommen, die laut Ertugral bei der WM 2002 im Einsatz waren. Bereits fix in Mattersburg sind neben Ex-Rapidler Rene Wagner noch Jürgen Patocka (Austria Lustenau) sowie der junge Burgenländer Jürgen Rauchbauer, dazu könnte Koller (Austria Amateure) kommen. Die Investitionen auf dem Spielersektor wurden durch einen in der vergangenen Saison erwirtschafteten Überschuss von über einer Million Euro sowie den Mehreinnahmen aus dem neuen TV-Vertrag möglich.

Den Verein verlassen müssen Hopfer, Zatek, Koziak und Trnicic, Dragic und Novakovic werden wohl folgen. Kapitän Didi Kühbauer bleibt seinem Stammklub treu, er verlängerte noch vor seinem Urlaubsantritt um zwei Jahre. (APA)