Peter Lorre in Mad Love / The Hands of Orlac von Karl Freund

Foto: Filmmuseum
Wien – Peter Lorre war stolz darauf, dass er Fremdsprachen schnell lernte. Er kam in einer Zeit zum Film, als die Schauspieler noch selbst Versionen für die verschiedenen Märkte herstellten: Von Fritz Langs M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931) etwa wurde eine deutsche und eine englische Fassung gedreht. Und Lorres Stimme war ein wesentliches Charakeristikum:

Er hatte keinen schneidenden Tenor, wie es für die Aufnahmegeräte dieser Zeit gut gewesen wäre. Er klang eher wie ein Mann ohne Muttersprache, ein heiserer Eindringling in Sprachwelten, in denen aus Dostojewskis Rodion Raskolnikow ein "Roderick" wird, und aus einem kleinen Gauner ein Dandy namens Joel Cairo.

Von einer Aufführung von Frank Wedekinds Frühlings Erwachen an der Berliner Volksbühne aus dem Jahr 1929 ist ein Bild überliefert, in dem Lorre vermeintlich seinen eigenen Kopf abgenommen hat und im Arm hält: wie ein Bauchredner seiner selbst.

Peter Lorre war natürlich auch ein Künstlername. László Löwenstein hieß der Bankangestellte in Wien, der sich bald verwandelte: in einem Theaterschauspieler, dessen außergewöhnliche Physiognomie auf der Bühne noch nicht so ins Gewicht fiel. Erst der Film – mit Großaufnahmen, nicht selten vor einem Spiegel, als wären sich die Figuren selbst unheimlich – machte aus Lorre eine Erscheinung, eine Identität, die er auch nicht verlor, als er einen japanischen Detektiv spielte, Mr. Moto, in einer Serie der späten 30er-Jahre.

Da war er schon im US-Exil, nach einem geglückten Aufbruch nach Berlin 1929 ("mit 30 Mark in der Tasche"), einer kurzfristigen Rückkehr nach Wien nach 1933, und einer Zwischenstation in Paris. Die europäischen Flüchtlinge bescherten Hollywood eine Blütezeit. Lorre war an den wichtigen Kreuzungspunkten dabei, er spielte im großen Kollektivfilm Casablanca und im zentralen Film noir The Maltese Falcon. Er spielte Nebenrollen, während er Hauptrollen in Nebenfilmen hatte:

Verletzte Hoffnung

Stranger on the Third Floor (1940) oder Face Behind the Mask (1941) sind nicht minder interessant, sie sind im Gegenteil noch näher an den Erfahrungen in der fremden Welt, die zu großen Hoffnungen berechtigte, aber auch große Verletzungen brachte. Wie die stereotype Besetzungspolitik: "Es nützt nichts, ich bin der Fratzenschneider, der hilflose Menschen die Treppe hinunter stößt."

Lorre war ein Vielspieler, auch, weil er ständig Finanzprobleme hatte. Er war morphiumsüchtig, bekam wegen Drogenbesitzes sogar Probleme mit der Polizei. Als in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg eine paranoide Untersuchung "unamerikanischer" Aktivitäten anhebt, zählt er zu jenen Künstlern, die sich zur Wehr setzen: "Hollywood Fights Back". Er war Demokrat, kein Kommunist.

Brecht schrieb 1950 ein Gedicht "An den Schauspieler P.L. im Exil": "Und nichts anders mehr / können wir dir bieten, als daß du gebraucht wirst./ Arm oder reich/ Gesund oder krank/ Vergiss alles/ und komm" – das sollte heißen: nach Ost-Berlin, um den Hamlet zu spielen. Lorre lehnte ab. Er hatte eigene Pläne.

Mit dem unabhängigen Produzenten Arnold Pressburger, auch er slowakisch-ungarischer Herkunft, wollte er seinen ersten eigenen Film in Deutschland drehen. Der Verlorene kommt, nach schwierigen Dreharbeiten, 1951 ins Kino und stößt auf Unverständnis und Ablehnung: Die Geschichte eines Arztes verknüpft die individuelle Pathologie aus M und die Weltverbrechen des Nationalsozialismus in einer düsteren, todessehnsüchtigen Überlagerung der Zeitebenen.

Versuchte Heimkehr

Lorre wollte mit diesem Film zu direkt an die deutschen Traumata heran, beinahe so, als wollte er sich stellvertretend Schuld aufladen, um noch einmal die Frage nach den zuständigen Instanzen zu stellen, auf die es in M hinausgelaufen war. In den 60er-Jahren fand er dann noch einmal zur Leichtigkeit und Spielfreude seiner Anfänge in Hollywood zurück. Roger Cormans B-Filmfabrik beschäftigte ein All-Star-Team, in das er sich wunderbar einfügte:

Ein Bild von Basil Rathbone, Boris Karloff und Vincent Price während einer Pause, alle drei im Sarg, zeigt Lorre, wie er von hinten auch noch eine Zeile aus dem aktuellen "Variety" erhaschen möchte. Sie spielten Edgar Allan Poe im Zyklus damals: Tales of Terror, The Raven, Comedy of Terrors – die Erbschaft eines Genre-Kinos, das Europäer in Amerika entwickelt hatten.

Peter Lorre starb 1964 im Alter von 60 Jahren. Das Filmmuseum zeigt zu seinem 100. Geburtstag unter anderem seinen ersten Filmauftritt in Die verschwundene Frau (1929). In dem von Brigitte Mayr, Michael Omasta und Elisabeth Streit herausgegebenen, bei Zsolnay erschienenen Band Peter Lorre. Ein Fremder im Paradies schreibt Elfriede Jelinek, dass "zwischen dem, was ist, und dem, was erscheint, eine Lücke klafft, die nie zu schließen sein wird, von keinem, nur vom Nichts selbst, das aber nie persönlich in Erscheinung tritt. Es schickt immer den Joker, damit man es sieht." (DER STANDARD, Printausgabe, 27.5.2004)