Standard/Fischer
Mit Geschichtsunterricht ist das so eine Sache. Während die einen von Lehrern zu diversen Schauplätzen gehetzt werden, um verstaubten Geschichtsbüchern einen Aktualitätsbezug zu geben, versuchen die anderen schlafend der monotonen Stimme des Lehrkörpers zu entkommen.

Den Wiener Festwochen ist es gelungen, Schüler des Akademischen Gymnasiums und des Gymnasium Franklinstraße in Wien für Geschichte nahezu zu begeistern. Allerdings: "Am Anfang hat mich der Begriff Theater mehr interessiert als das Thema selbst", gesteht die Schülerin Amira Ben Saoud, "aber dann wollte ich immer mehr wissen, wie es wirklich war."

Angewandte Heimatkunde

"Heimatkunde 34" lautet der Titel des Schülerprojektes aus der Reihe "Februar 1934 - Das Wörterbuch des Schweigens". Die Idee war, "die unterschiedlichen Annäherungen zum Thema zu betrachten, auch eine Annäherung von außen", erklärt Dramaturg Jochen Herdieckerhoff dem SchülerStandard. "Es geht nicht nur um geografische, sondern auch um zeitliche Distanz."

Historische Fährte Gymnasialschüler aus unterschiedlichen sozialen Milieus sollten sich auf eine historische Fährte begeben, die in ihrer eigenen Erfahrungswelt mündet. Das Konzept des Projekts beschreibt Herdieckerhoff als sehr abhängig von den Ideen der Schüler selbst - sie sollten "eigenverantwortlich Formen finden".

"Wir konnten viel mitbestimmen und die Szenen selbst gestalten", berichtet Amira. Vorgefertigte Texte gab es nicht, das gesamte Stück (Regie: Karl Wozek) stellt sich aus den Ideen und Recherchen der Jugendlichen zusammen. Die Recherchetätigkeit hat den Schülern gut gefallen, beklagten sie doch, dass zu viele Dinge im Schulunterricht einfach übergangen würden. Nicht zuletzt Gespräche mit Zeitzeugen brachten die gewünschte Aufklärung und verhalfen den Jugendlichen zu einem ungewöhnlichen Hintergrundwissen.

Erinnerungen wichtig Schülerin Mina Altman findet es mittlerweile sehr wichtig, sich mit Geschichte zu befassen und gibt ihr - abgesehen vom Lernfaktor - einen nun anderen, hohen Wert: "Geschichte, das sind für mich Erinnerungen", meint die Schülerin verträumt und fügt hinzu: "Ohne Geschichte würde ich nicht existieren."

Zeitzeugen berichten

Die Erzählungen von Zeitzeugen über den Bürgerkrieg zwischen den Arbeitermilizen des Sozialdemokratischen Schutzbundes und den paramilitärischen Einheiten des austrofaschistischen Dollfuß-Regimes wiesen im Vergleich untereinander oftmals starke Widersprüche auf. Für die Schüler war das erst recht ein Ansporn, weiter zu forschen, um immer weitere Teile des Geschehenen auszugraben.

Heute fällt es Amira schwer, zu sagen, was das überhaupt für ein Stück ist, das sie da aufführen. "Das ist jedenfalls kein einfaches, unterhaltendes Theaterstück mit einem Text zum Auswendiglernen." Die Zusammenarbeit mit Schülern beschreibt Jochen Herdieckerhoff als "außerordentlich aufregend" und bewundert vor allem das Engagement der Jungschauspieler.

Den Gedanken, am Donnerstag bereits auf der Bühne zu stehen, findet Amira beängstigend: "Ich bin aufgeregt, es ist etwas anderes, jetzt vor Publikum zu spielen." Aber sie ist zuversichtlich: "Das bekommen wir schon hin."