Johannes Voggenhuber und Hans Peter Martin: Beide halten sich zugute, den EU-Spesenskandal aufgedeckt zu haben.

Montage: derStandard
EU-Kandidaten Johannes Voggenhuber (Grüne) und Hans-Peter Martin (HPM) diskutierten über Spesenwucher, Knopflochkameras und Populismus. Sie sparten nicht mit persönlichen Untergriffen - bis zum Entzug des Duwortes. Peter Mayr und Barbara Tóth versuchten sich als MediatorInnen - mit mäßigem Erfolg.

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STANDARD:   Herr Martin, werden Sie auch dieses Gespräch heimlich aufnehmen? Martin: Bei Parlamentariern ging es mir darum, Missstände zu belegen, weil es sonst geheißen hätte, wo sind die Beweise? Daraus folgt ganz automatisch, dass ich selbstverständlich dieses Gespräch nicht aufzeichne. Das andere war ein Akt der Notwehr im Interesse der Steuerzahler, also die Gegenwehr gegen etwas Übermächtiges. S TANDARD: Herr Voggenhuber unterstellt ihnen, Stasi-Methoden anzuwenden. Martin: Ich bin über die persönlichen Angriffe des Johannes entsetzt und denke, sie richten sich selbst. Voggenhuber: Das ist immer die Antwort - einschließlich Verleumdung und Klagsdrohungen gegen alle Kritiker. Martin: Das stimmt überhaupt nicht. Geklagt werden bisher nur das profil und der Kurier , und das wegen nachweislich falscher Tatsachenbehauptungen. Das profil wegen Informationen, die sie offenbar von dir bezogen haben. Voggenhuber: Was heißt offenbar? Nennen Sie Beweise! Martin: Deine Aussage, dass ich bei den Grünen vorstellig geworden wäre, etwa. Voggenhuber: Chronische Missstände sind Humus für Demagogen. Aber Notwehr nach fünf Jahren Schweigen für sich in Anspruch zu nehmen ist purer Zynismus. Es gibt von Martin zum Spesenskandal nicht eine einzige parlamentarische Initiative, nicht eine einzige Rede. Ich habe meine Spesen im Jahr 1996 und 1999 offen gelegt. Er weigerte sich öffentlich. Martin: Die falsche Wiederholung von falschen Behauptungen macht die Sache nicht besser. Ich war von Anfang an dabei bei der so genannten "Kampagne für Parlamentsreform". Und die Notwehr richtet sich auch gegen stalinistische Reflexe der Sozialisten. Zu 1999: Da habe ich nicht veröffentlicht, da habe ich dem Druck der Sozialisten nachgegeben - ein Versuch, mit ihnen auf gleich zu kommen. Mich aber wundert's, warum Johannes bei keiner der jetzt vorliegenden Kostenverpflichtungserklärungen zu ehrlicher Abrechnung dabei ist. Das heißt, er kann weiter pro Jahr locker 100.000 Euro netto zusätzlich abkassieren. STANDARD: Herr Martin, Sie werfen Herrn Voggenhuber vor, keine reine Weste zu haben? Martin: Nein, das habe ich nicht gesagt. Mich wundert nur, warum er die vergangenen fünf Jahre nichts mehr offen legt. Voggenhuber: Ja, die Methode ist immer gleich: anpatzen, anschütten, verdächtigen. Martin: Alles ist belegbar. Voggenhuber: Hans-Peter Martin hat eine lange Recherchekarriere hinter sich. Von den durchwühlten Schreibtischen seiner Kollegen beim Spiegel ... Martin: Das habe ich nicht, das wird entgegnet ... Voggenhuber: ... bis zu den aktuellen Denunziationen und Fantasiezahlen. Ich werde mich darauf nicht einlassen. Was bei den Spesen erreicht wurde, sind Erfolge grüner Anträge. Ich habe ein System angegriffen und nicht Menschen verleumdet. Ich habe gegen Missstände gekämpft und nicht von ihnen gelebt. Ich habe nicht dem Boulevard die Verleumdungsopfer mit der Knopflochkamera geliefert. Was du tust, ist das Parlament als Institution dem Volkszorn zum Fraße vorzuwerfen, den du vorher mit maßlosen Übertreibungen anstachelst. Martin: Jetzt sind wir also wieder per Du. Deinen Vorwurf, dem Parlamentarismus Schaden zuzufügen, weise ich ganz entschieden zurück. STANDARD: Zur Sache: Wie sollen Gehälter und Spesen in Zukunft geregelt werden? Voggenhuber: Politische Kräfte nutzen diese Debatte, um das Parlament zu schwächen. Martin verunglimpft das gesamte Parlament, fordert seine Halbierung und die Gehaltsreduzierung auf 3500 Euro. Wissen Sie, Herr Martin, dass ein mittlerer EU-Beamter mehr verdient? Martin: Netto? Voggenhuber: Netto. Sie haben ja keine Ahnung von den Dingen, über die Sie reden. Martin: Ich nehme gerade zur Kenntnis, dass du mir das Duwort entziehst. Voggenhuber: Ich will nur, dass diese Kontroverse so sachlich wie möglich abläuft. Martin: So klingt es. Voggenhuber: Hans-Peter Martin läuft Gefahr, zum nützlichen Idioten der Europagegner zu werden. Und es macht ihm gar nichts aus, solange er von diesen Missständen und der Demagogie leben kann. Martin: Falsch, falsch, falsch. Voggenhuber: Es geht doch nur um die Inszenierung eines starken Abgangs nach fünf Jahren völliger Untätigkeit. Martin: Also, ob das ein Abgang ist, wird sich weisen. Voggenhuber: Es wird einer. Martin: Im Jahr 1980 forderte mich ein Arbeiterkammerfunktionär auf, mich um die Privilegien und Missstände dort zu kümmern. Ich habe das damals aus falsch verstandener Solidarität abgelehnt. Hätte ich damals anders entschieden, wäre es einem radikalen Rechtspopulisten wie Jörg Haider hoffentlich schwerer gefallen, das zu tun, was er dann gemacht hat. Jetzt steckt Europa in der Krise. Wenn wir dieses Spesenrittertum nicht abstellen, dann leidet die Glaubwürdigkeit noch viel mehr, als sie es jetzt schon tut. STANDARD: Herr Martin, Sie wollen halb so viele EU-Abgeordnete mit 3500 Euro Gehalt? Martin: Richtig. Beim Gehalt muss man dazusagen, dass Abgeordnete, die besondere Verantwortung tragen, selbstverständlich Zulagen bekommen sollen. STANDARD: Ist das der falsche Ansatz, Herr Voggenhuber? Voggenhuber: EU-Parlamentarier sollten für ihre deutliche Mehrbelastung mehr verdienen als nationale Abgeordnete. Spesen sind über strengste Rechnungslegung nachzuweisen. Abgeordnete sollten im Vergleich zu EU-Richtern oder Rechnungshof-Mitgliedern keine Mindestgehaltsempfänger sein ... Martin: Wie bitte? Mindestgehaltsempfänger? Voggenhuber: Hör mit deinem Populismus auf! Das gesamte Gehaltssystem gehört reduziert, nicht nur im Parlament. Martin: Grüner, Grüner was ist aus dir geworden! Voggenhuber: Alle EU-Abgeordneten sollen gleich viel verdienen. Das ist keine Nationalitätenkammer. Niemand kann einen Doppelberuf ausüben. Und nur um die Demagogie des Herrn Martin aufzuzeigen: 3500 Euro ist nicht einmal die Hälfte seines einzigen Vortragshonorars. Martin: Das ist auch falsch. STANDARD: Wie viel verrechnen Sie denn, Herr Martin? Voggenhuber: Ich habe in ganz Europa gratis vorgetragen. Martin: Ich doch auch. Die immer wieder genannten Honorare haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun und stammen aus meiner Zeit als Autor des Bestsellers Globalisie- rungsfalle . Ich muss dem Johannes auch bei der Arbeitsbelastung widersprechen: Sehr viele haben im EU-Parlament für sich die Zweieinhalbtagewoche erfunden. STANDARD: Herr Voggenhuber, wird Sie Hans-Peter Martin Stimmen kosten? Voggenhuber: Nein. Er kann - weil er dieselben Methoden benutzt - bei Jörg Haiders Wählern wildern. Er ist eine politische Erscheinung wie Roland Schill in Hamburg, eine vom Boulevard gezündete Stichflamme. Und er gründet zum Schein eine Partei ... Martin: Nein, nein, nein. Voggenhuber: ... um sich widmungswidrig eineinhalb Millionen Euro Wahlkampfkostenrückerstattung zu erschleichen - mit Statuten, dagegen ist der Stalinismus demokratisch. Martin: Unglaublich! Voggenhuber: Die Statuten erinnern mich an Kambodscha! Martin: Bruder Johannes, wie weit bis du von deinen Bürgerlistenwurzeln entfernt! Unser Statut ist dem des Liberalen Forums ähnlich. Die verbleibenden Mittel werden für soziale, demokratiefördernde Projekte genutzt. Voggenhuber: Diese Partei ist eine Einmanndiktatur. STANDARD: Herr Martin, was ist Ihr Wahlziel? Martin : Es wäre eine politische Sensation, wenn wir ein Mandat schaffen können. Das würde ich nutzen, um in den nächsten Jahren die Machenschaften der EU-Lobbyisten aufzudecken. Voggenhuber : Als steinerner Gast wie bisher. (DER STANDARD, Printausgabe 24.5.2004)