STANDARD: Sie sprechen am Donnerstag, 18.30 Uhr, im Wiener Kreisky-Forum über "Medien im Visier". Wie frei ist die Presse im Kosovo?
Kelmendi: Ich denke, wir erfüllen die grundlegenden Anforderungen. Das liegt vielleicht daran, dass die Regierung im Moment noch zu sehr mit anderen Fragen beschäftigt ist. Sie können sich noch nicht so sehr mit den Medien auseinander setzen.
STANDARD: Wie gehen Sie als Chefredakteur des politischen Magazins "Java" mit dieser Situation um?
Kelmendi: Wir wollen Forum für die Öffentlichkeit sein. Was die Zukunft und die Erwartungen der internationalen Staatengemeinschaft betrifft, stehen wir vor einer großen Herausforderung. Das Problem ist nur: Niemand spricht darüber. Mit der ersten Ausgabe von Java vor drei Jahren setzten wir eine Debatte zur übernationalen Identität des Kosovo in Gang, die bis heute anhält. Wir wollen das territoriale Image der Region verändern, schließlich leugnen bestimmte politische Parteien in Serbien immer noch unsere Existenz. Wir zeigen, wer wir Kosovaren sind, wie wir sind und was wir wollen.
STANDARD: Welche Rolle nimmt das Fernsehen ein?
Kelmendi: Leider unterstützt uns das Fernsehen dabei nicht. Wir haben drei nationale Rundfunkanstalten, eine mehrheitlich in der Hand europäischer Firmen, die beiden anderen gehören Amerikanern. Ihr Hauptinteresse ist es, Diskussionen, wie wir sie initiieren, zu vermeiden. Sie vermischen Nachricht und Meinung, die Bevölkerung hat keine Gelegenheit zur Partizipation.
STANDARD: Existiert eine freie Medienszene?
Kelmendi: Der mediale "Untergrund" im Kosovo ist Java. Die alternativen Inhalte kommen von uns.
STANDARD: Was wollen Sie mit Ihrem Medium erreichen?
Kelmendi: Einen Raum zu bieten, in dem es erlaubt ist, anders zu sein. Java ist zum Beispiel die einzige Zeitschrift, in der Menschen in ihrem Dialekt schreiben dürfen. (Enver Hoxha lud 1972 in Tirana zu einen Kongress zur Vereinheitlichung der albanischen Sprache. Für die Teilnehmer aus dem Kosovo hieß es ganz klar: ein Volk, eine Sprache, Anm. d. Red.) Die Fernsehsender bemühen sich etwa um Sprecher, die der offiziellen albanischen Amtssprache mächtig sind. Die eigene Sprache zu sprechen ist für mich Ausdruck einer eigenen Identität. Manche sprechen das Albanische nicht gut, und wenn sie ein Interview geben sollen, stottern sie und können sich nicht richtig artikulieren. Die verschiedenen Sprachen hier sind ein großes Tabu.
STANDARD: Gibt es Druck vonseiten der Regierung?
Kelmendi: Glücklicherweise nicht. Als ich mit Java begann, war ich mir da nicht so sicher, schließlich verwendeten wir unser eigenes Fotomaterial und publizierten in unserem Dialekt. Und wir begannen die Identitätsdebatte im Kosovo. Aber es passierte nichts. Doch langsam beginnen sie Java als Provokation zu sehen, und ich bin für sie in dem Zusammenhang so etwas wie ein "Staatsfeind Nummer eins".
STANDARD: Können Medienunternehmen unter diesen Bedingungen gut leben?