London - Der britische Premierminister Tony Blair will bei einem Sieg seiner Labour Party bei den im nächsten Jahr erwarteten Neuwahlen für die gesamte Legislaturperiode im Amt bleiben. Dies berichteten britische Medien in der Nacht auf Donnerstag unter Berufung auf engste Mitarbeiter des Regierungschefs. Sie traten damit neuen Gerüchten entgegen, Blair könnte im kommenden Jahr nach der Volksabstimmung über die EU-Verfassung zurücktreten. Ein Regierungssprecher sprach von "reinen Spekulationen".

Blairs angebliche Pläne wurden von Beobachtern vor allem als schlechte Nachrichten für Schatzkanzler Gordon Brown interpretiert. Gerüchten zufolge einigten sich Blair und der damals in der Partei wesentlich chancenreichere Brown vor zehn Jahren auf einen Pakt, wonach Blair eines Tages die am 1. Mai 1997 gewonnene Macht an Brown übergeben werde. Die nie bestätigte und nie wirklich dementierte Vereinbarung zwischen den beiden mächtigsten Männern Großbritanniens geistert bis heute durch die Medien. Brown wird seither oft als "Premierminister im Wartestand" dargestellt.

Angeheizt werden die jüngsten Spekulationen von den aktuellen Schwierigkeiten Blairs. Die kritische Situation im Irak, seine 180-Grad-Wende in der Frage eines EU-Referendums und der ständige Druck der oppositionellen Konservativen und Teilen der Medien in Fragen der Einwanderungspolitik setzen den Regierungschef derzeit schwer unter Druck. Als Reaktion kündigte er am Mittwoch ein verschärftes Vorgehen gegen illegale Einwanderer an.

Zugleich musste er an diesem Tag einen weiteren Rückschlag verzeichnen. Die Mehrheit der britischen Wirtschaft spricht sich nach einer aktuellen Umfrage mit 59 Prozent gegen die EU-Verfassung aus. Acht von zehn britischen Unternehmen meinen, die Regierung in London und nicht Brüssel solle Handelsvereinbarungen für sie treffen. Und satte 73 Prozent der Befragten sprachen sich gegen den Beitritt zum Euro aus.

Ein offener Brief Blairs am Mittwoch in der französischen Tageszeitung "Le Monde", in dem er seine Motive für ein Referendum und seine Sicht Europas darlegte, wurde in Paris nahezu als Provokation aufgefasst. Schließlich steht die französische Führung selbst unter massivem Druck, eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung abzuhalten. Aus Angst, damit das gesamte Projekt zum Scheitern zu bringen, hat dies Staatspräsident Jacques Chirac aber bisher zurückgewiesen. Die seit dem Irak-Krieg belasteten Beziehungen zwischen London und Paris bleiben gespannt. (APA)