WKÖ-Chef Leitl kritisiert die Kritiker: "Die Debatte ist nicht produktiv."

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VP-NÖ-Pröll findet dennoch: "Es muss über einiges gesprochen werden.""

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Wien/Graz/Klagenfurt – Zuletzt hatte er oft wichtigere Termine in seinem eigenen Land, für den ÖVP-Parteivorstand am Mittwoch hat sich Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll ausnahmsweise freigemacht.

Pröll kündigte nicht nur sein Kommen an, sondern auch, was seiner Meinung nach zu besprechen sei: nämlich "einiges". Und was Pröll unter "einigem" versteht, hatte er seinen Parteifreunden in Wien schon tags zuvor ausrichten lassen. Stellvertretend für ihn hatte Niederösterreichs ÖVP-Landesgeschäftsführer Gerhard Karner im STANDARD scharfe Manöverkritik am Bundespräsidentschaftswahlkampf geübt.

Der Wahlkampfstart von Benita Ferrero-Waldner sei zu defensiv gewesen, die FPÖ- Unterstützung kontraproduktiv, und überhaupt habe Niederösterreich einmal mehr "die Kohlen aus dem Feuer holen müssen", während die Bundespartei "erste Reihe fußfrei" zugesehen habe, wie Wien verloren gehe. All das, verlangte Pröll, soll im Parteivorstand nun "intern" besprochen werden. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel meinte nach dem Ministerrat am Dienstag nur, er habe mit Pröll "das, was wir zu bereden hatten", telefonisch geklärt.

Schuldzuweisungen seien nicht angebracht. Bei Niederlagen gebe es Fragen, die sich jeder zu stellen habe, nicht nur ein Land.

Leitl: "Nicht produktiv"

Seine Partei hielt sich nicht ganz an diese Vorgabe. Statt Geschlossenheit übten sich die Landespolitiker im Gegenseitig-Schuld-Zuschieben: Untereinander, gegenüber dem Bund – und zu guter Letzt gab es auch Kritik an den Kritisierern. "Das ist nicht sehr produktiv", meint Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl im STANDARD-Gespräch, "ich bin es gewohnt, vor- und nicht zurückzublicken".

In der ÖVP blickte man am Dienstag aber dann doch lieber zurück: "Warum solle Wien schuld sein, wenn Niederösterreich nicht sein Ergebnis erreicht?", konterte ÖVP-Wien-Obmann Alfred Finz Vorwürfe aus Niederösterreich, sein schlechtes Ergebnis sei Hauptgrund für Ferreros Niederlage. Auch Kärntens ÖVP-Parteichef Josef Martinz macht die östlichen ÖVP-Kernländern verantwortlich: "Wir haben hier nicht die volle Mobilmachung er 4. Spalte reicht." Aber auch Unmut über Schwarz-Blau sei "ein Teil der Niederlage" gewesen.

Eine Meinung, der sich am Dienstag auch der einflussreiche Chef des steirischen ÖAAB, Landesrat Hermann Schützenhöfer, anschloss.

Mangelnde Sensibilität

Nicht die Unterstützung des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider für Ferrero- Waldner sei wahlentscheidend gewesen. Benita Ferrero- Waldner habe vielmehr "eine Ohrfeige für die Bundesregierung" erhalten, interpretierte Schützenhöfer gegenüber dem ORF-Regionalradio das Wahlergebnis. Schützenhöfer: "Diese Koalition hat gegenwärtig keine Mehrheit, Punktum." In der "Wahrnehmung der Menschen" habe es auf sozialem Gebiet "nicht jene Sensibilität gegeben, die man von einer Bundesregierung erwartet". Und Tirols Landeshauptmann bemerkte nur trocken, das Ergebnis habe für die ÖVP jedenfalls keinen "Aufschwung gebracht".

Für Gesprächsstoff und voll besetzte Ränge im Parteivorstand ist jedenfalls gesorgt. Abgesagt haben nur Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer und Vorarlbergs Landeschef Herbert Sausgruber. (mue, stein, to/DER STANDARD, Printausgabe, 28.4.2004)