Ein Waisenkind verliebt sich in einen Müllmann: "Dark Heaven", eines von Ratana Pestonjis melodramatischen Breitwandepen.

Foto: Österr. Filmmuseum
Seine farbintensive Musicalmelodramen prägen auch das neue Thai-Kino.


Wien - Das neue thailändische Kino erreichte den Westen vor drei Jahren mit dem exzentrischen Cowboymelodram Tears of the Black Tiger/Fa talai jone von Wisit Sanatieng. Die Zuordnung dieses farbenfrohen Genrehybrids fiel damals schwer, zwischen Spaghettiwestern-Zitaten, schwülstigen Musicalnummern und einer herzensschweren Liebesgeschichte ließ sich das kulturell Spezifische dieses Films kaum mehr ausmachen.

Ein Name freilich, den der cinephile Sanatieng in Interviews zu seiner Arbeit immer wieder erwähnte, war Ratana Pestonji, Repräsentant der älteren Generation der thailändischen Filmemacher, der mit nur vier Regiearbeiten zum Klassiker wurde. Pen-ek Ratanaruangs Mon-rak Transistor, letztes Jahr in heimischen Kinos, verwies noch direkter auf ihn: Das Stationendrama um einen Taugenichts, dem das Schicksal arg zusetzt, lässt sich als nostalgisch-ironische Neudeutung Pestonjis und der Ära der 60er-Jahre verstehen.

Das Österreichische Filmmuseum widmet Pestonji eine Retrospektive (bis 30. 4.), in der neben seinen eigenen Filmen auch das Melo Forever Yours/Chua fa din salai (1955) zu sehen ist, an dem er noch in seiner ursprünglichen Profession als Kameramann beteiligt war. Bereits 1952 hatte der Sohn persischer Einwanderer seine eigene Firma gegründet, um sich von den Einschränkungen serieller Produktion zu befreien: Pestonji wollte auf 35 mm und mit Direktton drehen - zu einer Zeit, in der in Thailand Filme noch auf Lastwagen oder Leintücher zwischen zwei Bäumen projiziert wurden.

Limitierte Sets

Sein Debütfilm, Country Hotel/Rong Ram Narok (1957), noch in Schwarz-Weiß, spielt im multifunktionalen Empfangsbereich eines Hotels, in dem sich aus komischen Konfrontationen allmählich ein Minimelo entwickelt. Mit Black Silk/Prae Dum (1961) kann sich Pestonji in großem Stil entfalten: Er entwirft ein visuell überbordendes Melodram, wobei ihn die Limitiertheit der Mittel und der Sets nicht davon abhalten, stets den größten Ausdruck anzupeilen.

Die Erzählung von Black Silk, wiewohl mit etlichen schicksalhaften Wendungen versetzt, sagt noch wenig aus, erscheint darin doch noch einiges als standardisierte Kolportage: eine junge Witwe (dargestellt von Pestonjis Tochter) mit Baby, die von einem jungen Mann begehrt wird, der wiederum in Abhängigkeit zu einem gewissenlosen Nachtklubbesitzer steht; ein Verbrechen, das alle drei verbindet, doch die Liebe verunmöglicht; schließlich die Läuterung samt buddhistischem Subtext und ritualisierter Erschießung.

Pestonjis Handschrift liegt der "mise-en-scène": Er bevorzugt meist flache Ansichten und lange Einstellungen, in denen die Kamera mit viel Geduld expressive Momente oder auch sinnträchtige Details - etwa ein paar Sandalen bei der Mordszene - einfängt. Ausdrucksstarke Farben und Breitwandformat, aber auch eine mitunter zu forciert wirkende Orchestrierung zeigen an, mit welcher Vehemenz hier ein eigentlich armes Kino davon träumt, ein großes, vor allem sinnliches Erlebnis zu garantieren.

Wie im synthetischen Bollywoodkino nehmen auch bei Pestonji Gesangsnummern - in Black Silk sorgt beispielsweise eine leicht dickliche Tänzerin für Interludien - eine wichtige Rolle ein. Ein Aspekt, den er in seinen beiden folgenden Filmen, Dark Heaven/Sawan Meud (1958) und Sugar is not sweet/Namtan Maiwan (1965) noch weiter ausbaute: Letzterer etwa ist ein Musicalmelodram, das eine Zwangsheirat zum Ausgangspunkt eines Beziehungsdramas hat, zugleich aber Haarwuchsmittelwerbefilme parodiert - das grelle Ende eines idiosynkratischen Werks. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.4.2004)