Coverfoto: Polydor Island Group/Universal
Latürnich hab ich meine alte Lieblingsgruppe nicht vergessen ... und weil sie's ist, darf hier auch mal das im Journalismus verpönte ich stehen.

"Hab ich's gern weich oder ganz hart?"

Rosenstolz waren nach langer Zeit wieder einmal zu Gast in Wien - jahrelang musste man für Konzerte nach Deutschland pilgern und traf dort auf eine skurrile Publikumsmischung: die seit den Anfängen treue schwul/lesbische Fangemeinde der Band zum einen Teil - und zum anderen: Sekretärinnen im Aufruhr. Verbindendes Element war und ist die rosenstolze Stoßrichtung, die da heißt: Schwelgerei, Gefühlspathos, Glamour, Verruchtheit - und immer wieder Sex, Sex, Sex.

Das gab's sonst nur auf Kleinkunstbühnen, nicht bei MusikerInnen, die zumindest mit einem Bein im Pop standen (das andere im Chanson; das Wort "Schlager" haben sie nie gemocht). Anna Rosenbaum und Peter Plate hatten ihre eigene Nische gefunden. Und daraus führen nur zwei Wege: entweder bleibt man für alle Zeiten zwischen den Stühlen sitzen oder man hievt die Nische in den Mainstream und wird dort zur Königin.

"Du kannst noch mehr, du kannst noch mehr"

Wie die Zeit gezeigt hat, ist es zweiteres geworden - kürzlich bei einer Autogrammstunde in Berlin standen die Leute in Serpentinen über den halben Alexanderplatz an. Der Fankreis der Band wuchs im Lauf ihrer mittlerweile 13-jährigen Geschichte kontinuierlich an, zusätzlich sorgten zwei Ereignisse für Quantensprünge: die Teilnahme an der deutschen Song Contest-Vorausscheidung 1998 (das Jahr, in dem Guildo Horn gewann) machte sie weit über die alte Fangemeinde hinaus bekannt.

... und die mit dem Album "Kassengift" (2000) erfolgte Ablöse des langjährigen Produzenten Tom Müller, der unter anderem auch für Nina Hagen gearbeitet hatte, durch Peter und seinen - mittlerweile - Ehemann Ulf Leo Sommer modernisierte den Sound von Rosenstolz deutlich in Richtung Rock und Pop. Irgendwie nach 80er Jahren zu klingen wäre heute ein Erfolgsrezept - in den 90ern, als gerade ganz andere Jahrzehnte recycelt wurden, hatte das aber den Hauch des Jenseitigen an sich. Was andererseits einen Teil des Charmes von Rosenstolz ausmachte; heute wirken sie wesentlich professioneller.

Mit neuen musikalischen Mitteln üben Rosenstolz aber immer noch ihre ureigenste Funktion als Gefühlverstärker aus: Mut. Verlorensein. Sehnsucht. Trauer. Hoffnung. Eifersucht. Stolz. Und alle, wirklich alle Aspekte von Liebe haben sie besungen - "Herz" ist der programmatische Titel eines Rosenstolz-Albums schlechthin; seltsam fast, dass sie erst jetzt darauf gekommen sind.

"Für den einen ist es Wahrheit, für den Zweiten purer Blödsinn"

Gefühle nicht nur auszuleben, sondern sich bis ins Letzte in sie hineinzusteigern ist natürlich nicht jedermanns Sache. Wer zu Zynismus oder Mieselsucht neigt, wird sich der Projektionsfläche Rosenstolz verweigern, Zeilen wie Ich geb mich nie wieder auf ("Ausgesperrt") nicht nachvollziehen geschweige denn mitsingen können oder ein so wunderbares Lied wie "Ich will mich verlieben" peinlich finden. Aber ob er dann ein beneidenswertes Leben führt?

Ein letzter Gesichtspunkt, der nicht vergessen werden sollte: Mit der Popularität der Band ist auch ihr Alter gestiegen - und die entsprechende Prioritätenverschiebung schlägt sich in den Texten nieder: Vom Abfeiern des Schlampendaseins und den Rollenspielen ("Cleopatra", "Nymphoman ", ...), die früher auf jeder CD vertreten waren, ist auf "Herz" nichts mehr zu hören. Liebe ist anstelle des Sex in den Vordergrund gerückt.

"Hast du nur ein Wort zu sagen ..."

Mit der Single "Liebe ist alles" sind Rosenstolz in jeder Beziehung auf dem Höhepunkt angekommen - und da ihre Entwicklung bislang stetig nach oben führte, ist auch weit und breit kein Ende in Sicht. (Josefson)