Aufbereitung der DNA eines Spenders in Estland: Dem Genpool-Projekt, das zur weltweit größten Datenbank führen soll, fehlt Geld.

Foto: Andres Metspalu
Estland zieht mit seinem vor drei Jahren gestarteten Großprojekt einer nationalen Gendatenbank internationale Aufmerksamkeit auf sich: Die Erbinformation möglichst vieler Esten soll entschlüsselt und in die weltweit größte Datenbank aufgenommen werden.

Streitereien mit dem Hauptfinancier, der US-Biotechfirma EGeen, die gemäß Vertrag mit dem Eigentümer der Datenbank, der estnischen Genom-Stiftung, das kommerzielle Exklusivnutzungsrecht auf die Gendaten hat, zwingen nun zur Projektverkleinerung: Zielte man auf knapp eine Million Spender (zwei Drittel der 1,4 Millionen Esten), spricht man jetzt von 100.000 bis zum Jahr 2007. Bisher hat man die Daten von 10.000 Spendern.

Hohe Erwartungen

Dennoch bleiben die Erwartungen hoch: Der Abgleich der Daten soll laut Andres Metspalu, Projektinitiator und Biotechnologe an der Uni Tartu, klären, welche Zusammenhänge zwischen Genen, Lebensstil, Umwelt und Krankheiten bestehen, welche genetischen Ursachen besonders Volksleiden wie Schlaganfall, Diabetes und Krebs haben. Sein Ziel: effizientere und günstigere Gesundheitsversorgung durch personalisierte Medizin. "In 50 Jahren werden wir alle morgens eine individuell zusammengestellte Pille zur Vorbeugung schlucken."

Auch Großbritannien startet nun das Projekt "UK Biobank" für 500.000 DNA-Spender, Kanada will für "Cart@ gene" gut 60.000 Teilnehmer, und Island sammelt schon seit 1996 Gendaten seiner äußerst homogenen Bevölkerung. Die Besonderheit des estnischen Projekts liegt im Unterschied zum isländischen jedoch in der Heterogenität der baltischen Mischbevölkerung, die weitgehend dem europäischen "Durchschnittsgenom" entspricht. Der Markt für Pharmaprodukte wäre riesig.

Bedenken zurückgewiesen

Bedenken, die Daten könnten in falsche Hände geraten, "genetisch gefährdeten" Menschen könnten Arbeitsplatz und Versicherung verweigert werden, weist Metspalu zurück: Sie blieben Staatseigentum, nur Nutzungsrechte von anonymisierten Daten würden über Lizenz verkauft.

Erst vor drei Tagen stellte eine internationale Forschergruppe eine Karte der Funktionen von mehr als 20.000 der etwa 30.000 menschlichen Gene ins Internet - die bisher größte Datenbank dieser Art. (DER STANDARD, Print, 23.4.2004)