Jörgen Leth in Lars von Triers "The Five Obstructions"

Foto: Crossing Europe
Schauplätze vom Baskenland bis zum Norden Finnlands, Einblicke in Gesellschaften im Umbruch, ein Schwerpunkt auf Musik und Jugendkultur: Im Sinne der Verschiedenartigkeit europäischer Filmkulturen versammelt das Panorama Europa eine Mischung aus ebenso diversen aktuellen Dokumentar- und Spielfilmen.

Ein Psychoduell als Kuriosum und Empfehlung: Hinter De fem benspaend / The Five Obstructions verbergen sich fünf Remakes des von Jörgen Leth 1967 gedrehten Kurzfims Det Perfekte Menneske – eines Lieblingsfilms von Lars von Trier, der die Remakes anregte und Jörgen Leth für jede Neuverfilmung ganz bestimmte Auflagen machte.

Kontroversen und Musik

Gezielt hat "Crossing Europe"-Intendantin Christine Dollhofer laut eigener Erläuterung Filme ausgewählt, die in den letzten Monaten auf internationalen Filmfestivals für Kontroversen gesorgt haben, wie die auf einen breiten Diskurs zum ETA-Problem angelegte Interview-Sammlung La Pelota Vasca von Julio Medem in San Sebastian in Spanien oder das heftige Paardrama Twentynine Palms von Bruno Dumont in Venedig.

Zum Fokus auf Jugend- und Musikszenen: Jörg Siepmann hat mit Golden Lemons die Tour der Hamburger Punk-Veteranen "Die Goldenen Zitronen" durch das Land des Klassenfeindes, die USA, dokumentiert, Daniel Schweizer mit Skinhead Attitude das komplexe Universum der Skins ergründet und Igor Mirkovic (Kroatien) in Sretno Dijete / Lucky Kid der famosen Untergrundszene und Clubkultur Zagrebs in den 1980ern ein Denkmal gesetzt. Susanne Helke und Virpi Suutari zeichnen in Joutilaat / The Idle Ones den Alltag dreier Jugendlicher im Nordosten Finnlands nach, die zwischen Biertrinken, Herumhängen und dem Wunsch nach Spaß ihre Perspektivenlosigkeit zu vergessen versuchen.

Bruno Dumont verfolgt in Twentynine Palms ein Paar beim Durchqueren einer Wüste, bis die nervenraubende Reise in rohe Gewalt mündet; Vlado Skafar begleitet mit Peterka: Leto odlocitve / Peterka: Year of Decision die höhen- und tiefenreiche Biografie des slowenischen Skispringers Primoz Peterka.

Gespräche mit mehr als zwei Dutzend Personen aus allen politischen Lagern setzt Julio Medem zu einem Mosaik der baskischen Unabhängigkeitsbemühungen namens La Pelota Vasca zusammen; Eugéne Green verzaubert die Welt in Le Monde Vivant / The Living World zum Märchenschauplatz. Mit Kukushka / The Cuckoo erzählt der russische Regisseur Aleksandr Rogozhkin eine vom Geist des Humanismus geprägte Dreiecksgeschichte, die in der finnischen Tundra kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs angesiedelt ist.

Vom Erwandern und sich Durchschlagen

Doris Kittler nähert sich mit Leichte Winter den Weiten der ehemaligen Sowjetunion an. Jurymitglied Cristi Puiu entwirft mit dem in einem Bukarester Restaurant angesiedelten Un cartus de kent si un pachet de cafea / Cigarettes and Coffee ein modernes Bild eines Rumäniens, das im Kulturlandschaftsporträt Carpatia von Andrzej Klamt und Ulrich Rydzewski wieder vormodern-archaisch auftritt.

Während sich in Sansa von Siegfried (Frankreich) ein Straßenmusiker von Paris nach Russland durchschlägt, erschließt sich die Schweiz in Peter Liechtis langsamem Roadmovie Hans im Glück aus der Perspektive des Wanderers. Der polnische Regisseur Stanislaw Mucha macht sich in Die Mitte auf eine amüsante Reise an zwölf europäische Orte zwischen dem Innviertel und der Westukraine, die allesamt "Mitte Europas" zu sein beanspruchen.

Kenedi se vraca kuci / Kenedi goes back Home von Zelimir Zilnik beleuchtet das Schicksal von kosovarischen Roma, die nach Jahren des Asyls in Deutschland plötzlich nach Serbien abgeschoben werden; Mariana Otero (Frankreich) rekonstruiert in Histoire d’un secret / History of a Secret das Schicksal ihrer seinerzeit mysteriös verschwundenden Mutter.

Die vom österreichischen Filmmuseum nominierte Arbeit Dans ma peau / In My Skin von Marina de Van beschreibt schließlich beklemmend das nach einem Unfall gebrochene Verhältnis einer Frau zu ihrem Körper. (Festival/red)