Buchcover
Als die Gleichheit der Geschlechter zum letzten Kriterium für eine echte Demokratie wurde, waren die Feministinnen noch auf dem richtigen Weg. In den 80ern haben sie eine falsche Abzweigung genommen: Die auf den Holzweg.

Im französichen Original, das 2003 erschienen ist, ist der Titel des neuen Buches von Elisabeth Badinter nicht so sehr Plädoyer wie im Deutschen, in dem aus "Fausse route" "Die Wiederentdeckung der Gleichheit" wurde; es ist eine Zurechtweisung. Die Mitdenkerin und Weggefährtin des französischen Feminismus räumt oft statistik-, zitat- und detailgetreu mit den Irrtümern der Differenzfeministinnen (amerikanischer Facon) auf und fasst sie doch unter einem Nenner zusammen: dem der systematischen Viktimisierung der Frauen.

Gegen Klischees

In den Gesetzen zu sexueller Belästigung sieht Badinter Wegbereiterinnen zur Rückkehr in Stereotypien: die des "weiblichen Opferlamms und des gewalttätigen Mannes". Die auslegbaren Begriffe der "psychischen" Belästigung lassen sie durch Dworkin/MacKinnon vorangetriebene Rechtszustände in der alten Welt naher Zukunft befürchten - die beiden amerikanischen Feministinnen hatten in den frühen 80ern in Minneapolis und Indianapolis mit der Unterstützung der Republikaner Pornografie als Verletzung der Bürgerrechte durchgesetzt. Gegen das um sexuelle Belästigung erweiterte Verständnis des Autoritätsmissbrauchs stellt sich Badinter nicht. Wo Abhängigkeitsverhältnisse bestünden, sollte der Gerichtsweg offen stehen, ansonsten könne frau Affronts aber anders regeln, und sei's durch "saftige Ohrfeigen", wie sie über ein Zitat der französichen Ex-Frauenimisterin Veronique Neiertz wissen lässt.

Revidiert

Generell ist es Badinter ein großes Anliegen, zu vermitteln, dass Frauen Aggressivität und Gewalt nicht nur durch die Opferrolle kennen. Sie untermauert ihre Sichtweise, indem sie neben der Argumentation gegen eine rein reaktive Frauengewalt im Alltag auch die Greueltaten der Nazi-Täterinnen oder die der ruandischen Hutu-Kämpferinnen anführt, die von den Viktimisierungsfeministinnen laut Badinter verschwiegen worden sind, um die vorherrschende Idee der Viktimisierung nicht zu trüben.

Ebenso eine bewusste Auslassung und zugleich einen "Widerspruch", so die Kapitelüberschrift, macht Badinter im Bereich Sexualität fest: Nicht einbezogen würden die sexuellen Realitäten und Bedürfnisse, wenn der Ruf den neuen Feministinnen nach "Einheitssexualität" - zwar nicht laut, noch nicht laut - artikuliert werde. Deren Anti-Haltung gegenüber Sexarbeit jeglicher Form meine aber nichts anderes, so Badinter. Derweil Frauen ebenso pathologische Begierden hätten und die Strukturen mitbestimmten, mehr als zugegeben werde.

Quitt

Das Einfordern besonderer Rechte und Strukturen für Frauen beruht auf dem in Badinters Augen falschen Grundsatz des Geschlechterunterschiedes - wie könnten aus diesem "richtige" Ergebnisse hervorgebracht worden sein? An der feministischen Entwicklung der letzten zwanzig Jahren zumindest sieht die Philosophin nicht viel Positives oder für junge Frauen Erbauenendes, wie sie anmerkt; zudem sie dieser Abweichung vom Konzept der Gleichheit eine in Ressentiment umgeschlagene Enttäuschung ob der Stagnation punkto Gleichstellungsbemühungen zugrundelegt. Und ihrer eigenen Enttäuschung darüber hat sie mit ihrem flüssig zu lesenden Werk - gar nicht so heiße Luft - verschafft. (red)