„Stolz und glücklich“
„Ich bin stolz und glücklich über das, was ich getan habe“, sagte Mordechai Vanunu und wehrte sich immer wieder gegen die Versuche seines jüngeren Bruders Meir, ihn endlich behutsam ins Auto zu bugsieren. Auf der Straße vor dem Gefängnistor hatten schon seit Stunden mehr als hundert Atomwaffengegner aus verschiedenen Ländern gewartet, um Vanunu als „Held des Weltfriedens“ zu bejubeln und 18 weiße Tauben aufsteigen zu lassen. Unterdessen wetterten israelische Passanten über das „Spektakel“ für den „Verräter“. 1986 war der kleine Nuklerartechniker schlagartig berühmt geworden, nachdem er von einer blonden Geheimagentin mit dem Decknamen Cindy von London nach Rom gelockt und dann von Angehörigen des israelischen Geheimdienstes Mossad nach Israel entführt worden war.
Grund: Vanunu hatte der Londoner Zeitung Sunday Times sensationelle Fotos und Beschreibungen des Atomreaktors von Dimona und von mutmaßlichen Atomwaffen übergeben. Neun Jahre lang hatte der in Marokko geborene Vanunu in dem streng abgeschirmten Kernzentrum in der Negev- Wüste gearbeitet, eher er Israel verließ und in Australien der anglikanischen Kirche beitrat. „Es stimmt, dass er Staatsgeheimnisse verraten hat“, sagt Phil Budge, der eigens aus Sydney angereist ist, um Vanunu zu feiern. „Aber er hat es aus Sorge um die Welt getan.“ Seine Nachbarin, eine ältere Aktivistin aus dem amerikanischen Seattle, vergleicht Vanunu gar mit alttestametarischen Propheten. Chaim Ben-Arush, der in der Nähe arbeitet, schüttelt verbittert den Kopf: „Wir brauchen dieses Volksfest hier nicht. Dieser Mann sollte hinter Schloss und Riegel bleiben, bis er verrottet.“ Der Lenker eines Müllabfuhrwagens hält an, um aus Leibeskräften „Verräter“ zu brüllen. Vanunu würde jetzt gerne in die USA auswandern, eine Familie gründen und Geschichte studieren. Aber die volle Freiheit wird der inzwischen 50- jährige „Atomspion“ noch lange nicht bekommen. Vanunu habe ein phänomenales Gedächtnis, heißt es im israelischen Sicherheitsapparat: Erst vor kurzem habe er in seiner Gefängniszelle präzise Diagramme von Arbeitsabläufen im Reaktor von Dimona angefertigt. Er sei also immer noch eine Gefahr für die Staatssicherheit.
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