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Marc Dutroux, Sabine Dardenne.

Foto: REUTERS/Martin Leroy
Arlon - Wahre Todesängste hat das Entführungsopfer Sabine Dardenne im Keller des mutmaßlichen Mädchenmörders Marc Dutroux ausgestanden. "Sei brav oder du bist tot" - mit diesen Worten habe Dutroux sie während der 80 Tage dauernden Gefangenschaft bedroht, sagte die heute 20-Jährige am Montag als Zeugin vor dem Schwurgericht von Arlon. Wiederholt habe ihr Peiniger von einem bösen Chef gesprochen, der sie umbringen wolle. Deshalb sei sie sogar froh gewesen, als ihr Entführer sie in einem engen Versteck einsperrte.

Mit Spannung erwartete Aussage

Mit belegter, manchmal leicht zitternder Stimme berichtete Dardenne als erstes der beiden überlebenden Opfer von den Foltern im Keller des Dutroux-Hauses. Ihre mit Spannung erwartete Aussage ist für den Prozess von besonderer Bedeutung: Fahndungspannen bei Polizei und Justiz lassen bisher manche Fragen offen, der Hauptangeklagte Dutroux beruft sich auf das Recht zu lügen, und vier der sechs entführten Mädchen können nichts mehr bezeugen - sie starben qualvoll.

Die Zeugin blickte Dutroux in die Augen, wie sie es vor dem Prozess angekündigt hatte, und sie riss ihren früheren Peiniger mit einer Frage aus seiner regungslosen Haltung im Glaskäfig der Angeklagten: "Auch wenn ich die Antwort ein wenig kenne, wüsste ich gerne von ihm, der sich über meinen schlechten Charakter beklagte, weshalb er mich nicht umgebracht hat." "Davon war nie die Rede", entgegnete Dutroux und beeilte sich, die Misshandlung des Mädchens einzuräumen und "die Verantwortung" dafür zu übernehmen.

Mehrfach vergewaltigt

Ohne Details zu nennen bestätigte Dardenne, dass ihr Entführer sie mehrfach vergewaltigte. Auf die Frage einer Geschworenen, ob Dutroux ihr jemals von seiner Frau und seinen Kinder erzählt habe, antwortete die zur Tatzeit Zwölfjährige: "Natürlich nicht, ich war seine Frau." Wenn sie Dutroux zu Willen gewesen war, habe sie manchmal fernsehen dürfen.

"Ich war die kleine Dienstmagd"

Die meiste Zeit sei sie im Keller eingesperrt gewesen oder habe das völlig verdreckte Haus putzen müssen, sagte die junge Frau. "Ich war die kleine Dienstmagd." Ein einziges Mal habe sie versucht, die 200 Kilo schwere Betontür vor dem Kellerversteck zu öffnen. Das gelang aber nur zum Teil: "Der Kopf passte durch, der Rest nicht." Aus Furcht vor Dutroux und dessen vorgeblichem Chef habe sie nie die Flucht versucht: "Ich hatte immer die Angst im Bauch, dass sie mich eines Tages holen würden", sagte die Zeugin.

Von Dutroux' früheren Entführungen und den verdursteten Mädchen Julie und Melissa im selben Verließ wusste die kleine Gefangene nichts, als sie im Keller gefangen saß. Völlig unschuldig klagte sie deshalb über Langeweile: "Ich wollte natürlich nicht, dass er ein anderes Kind entführt." Doch genau dies tat Dutroux. Er entführte die damals 14-jährige Laetitia Delhez und sperrte sie zu Sabine.

Erst Laetitia erzählte der Zwölfjährigen, dass deren Eltern sie verzweifelt suchten. "Ich habe ihr anfangs nicht geglaubt", sagte Dardenne im Zeugenstand. Dutroux hatte dem Mädchen weisgemacht, ihre Eltern würden das geforderte Lösegeld nicht zahlen. Sabine schrieb Herz zerreißende Briefe an die Mutter, doch ihr Entführer behielt die Schreiben und manipulierte das Mädchen mit erfundenen Antworten weiter. Das ging bis zum Tag der Befreiung im August 1996: "Ich war verrückt genug zu glauben, dass er die Polizei gerufen hatte."

"Enorme Charakterstärke"

Schon in der Gefangenschaft habe Sabine Dardenne eine "enorme Charakterstärke" gezeigt, lobte der Vorsitzende Richter Stephane Goux. Im Gerichtssaal antwortete die Zeugin trotz sichtbarer Nervosität 52 Minuten lang klar und bestimmt. Einige Geschworene hoben den Mut der jungen Frau hervor.

Schwächeanfall von Eltern

Zwei Elternteile der Opfer haben am Montag einen Schwächeanfall erlitten. Der Vater der ermordeten An, Paul Marchal, und die Mutter der überlebenden Laetitia Delhez, Patricia Martin, wurden in ein Krankenhaus gebracht. (APA/dpa)