Ist die verbreitete Neigung von Protagonisten der Umweltbewegung zu Apokalypse und Inquisition eine Art Naturgesetz? - Plädoyer für mehr analytische Nüchternheit statt religiösen Eiferertums in der Ökologiedebatte.

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Kürzlich meldete Ö1, als einziges Medium, dass der Statistikprofessor Björn Lomborg durch das dänische Ministerium für Wissenschaft, Technik und Innovation in seiner wissenschaftlichen Qualifikation rehabilitiert worden sei. Was war geschehen? Lomborg hatte ein Buch verfasst, in welchem er sämtliche offiziellen Umweltstatistiken zusammentrug und diese mit den in der Öffentlichkeit grassierenden Aussagen zu diesem Thema konfrontierte. Daraus ergab sich, dass die meisten dieser Feststellungen entweder falsch oder weit übertrieben waren. Und selbst wenn sie zutrafen, erwiesen sich die möglichen Folgen solcher Veränderungen als bei weitem nicht so entsetzlich, wie das von öffentlichkeitswirksamen "Apokalyptikern" häufig dargestellt wird (B. Lomborg, The Skeptical Environmentalist, Cambridge 2001).

Nun kann man gewiss in dieser Frage unterschiedlicher Meinung sein, und eine Diskussion in Fachjournalen wäre wohl die "natürlichste" Reaktion auf eine kontroverse Publikation gewesen. Lomborg schlug jedoch blanker Hass entgegen. Das manifestierte sich zunächst "nur" in der Wortwahl seiner Kritiker und gipfelte schließlich darin, dass man in seinem Heimatland einen regelrechten Inquisitionsprozess gegen ihn inszenierte, in dem ihm das dänische "Komitee für wissenschaftliche Korrektheit" die wissenschaftliche Qualifikation absprach.

Jedem, der das Buch Lomborgs gelesen hatte, musste die Urteilsbegründung dieses Tribunals absurd erscheinen. Das fanden offenbar auch 300 Wissenschafter, welche vom zuständigen Ministerium die Rehabilitierung Lombergs verlangten und mit ihrer Forderung nun auch durchdrangen.

Wie erklären sich diese in der Scientific Community nicht gerade üblichen Hassausbrüche? Die Antwort liegt darin, dass der Umgang mit der Umweltproblematik unserer Gesellschaft zunehmend zu einer Art Religionsersatz geworden ist.

Als der Club of Rome 1972 die Studie Meadows' "Die Grenzen des Wachstums" präsentierte, welche bei Anhalten der wirtschaftlichen Expansion und der damit verbundenen Zerstörung der Umwelt für den Beginn des 21. Jahrhunderts den Zusammenbruch unseres Gesellschafts-und Wirtschaftssystems auch infolge der Umweltvernichtung voraussagte, erfasste die Intellektuellen ein Sturm der Begeisterung. Umweltpolitik entwickelte sich in allen politischen Gruppen zum primären Anliegen, und weite Kreise folgten den Erkenntnissen des Club of Rome, indem sie kategorisch das "Nullwachstum" forderten.

Ironie der Geschichte: In weiten Teilen Europas wurde das Ziel mittlerweile auch erreicht, die Begeisterung dafür hat allerdings allem Anschein nach deutlich nachgelassen - nicht aber die messianische Grundhaltung der Umweltbewegung. Daher auch die erbitterte Reaktion auf Lomborgs Buch: Hier wurde keine konkurrierende wissenschaftliche Hypothese, hier wurde der rechte Glaube durch einen Apostaten - Lomborg zählte früher zu den Anhängern der Umweltbewegung - infrage gestellt. Er musste "vernichtet" werden.

Nun könnte man die ganze Affäre auch humoristisch sehen und als belanglose Anekdote abtun - gäbe es da nicht Entwicklungen, die der Episode durchaus symptomatischen Charakter zuweisen:

Panikmache ...

So hat sich in den vergangenen Jahren auch und gerade im höheren Mittelstand eine diffuse Reserve gegenüber "dem Kapitalismus" breit gemacht. Furcht vor Veränderungen und Zukunftsangst grassieren, das Erschließen neuer Möglichkeiten weckt sofort - siehe die EU-Regelungswut in Sachen Genfood - den Ruf nach deren Beschränkung. Kein Wunder, dass ein Teil der akademisch Gebildeten sich den technischen Wissenschaften zunehmend verschließt: Die Hörerzahl dieser Studienrichtungen geht stetig zurück.

Die Fixierung auf das "Heiligtum" Umwelt führt über gesetzliche Vorschriften, wie Jahre dauernde Umweltverträglichkeitsprüfungen oder zahllose Bürgerinitiativen, dazu, dass wichtige Infrastrukturinvestitionen entweder unterbleiben oder um Jahrzehnte verzögert werden - mit teilweise fatalen politischen und ökonomischen Folgen, wie gerade etwa in Österreich deutlich wird: Statt den Goodwill der ostmitteleuropäischen Nachbarstaaten auszuschöpfen, wurde seit der Wende jeder Staatsbesuch dazu genutzt, um diese Länder wegen ihrer Atompolitik abzuqualifizieren. Ähnlich zweckmäßig ging man in der Frage des Alpentransits vor, nachdem man die Legende in die Welt gesetzt hatte, der Transitverkehr lasse Österreich ersticken, wiewohl dieser nur rund zehn Prozent des Lkw-Verkehrs ausmacht.

... ist kontraproduktiv

Mit dem jüngsten Streich trifft die Regierung die eigene Industrie, indem sie energieintensive Erzeugung von Stahl und Zement mit zusätzlichen Abgaben belastet, um den CO-Ausstoß zu reduzieren. Das ist zwar keine österreichische Initiative, sondern die Konsequenz des Kioto-Abkommens, doch hat sich hier Österreich durch besonders hohe Reduktionsverpflichtungen hervorgetan.

Womit wir wieder bei Mister Lomborg angelangt wären: Selbst wenn man die Hypothese von der Klimaerwärmung und die dazu veröffentlichten offiziellen Berechnungen akzeptiert, dann erhöhte sich die Durchschnittstemperatur im Laufe dieses Jahrhunderts in einer Größenordnung von 1,5 bis fünf Grad. Natürlich ergäben sich dadurch Änderungen, möglicherweise stiege auch der Meeresspiegel, und wir müssten dann vielleicht Dämme errichten. Aber, wie Lomborg feststellt: Die Kosten eines Dammes bewegen sich in der Größenordnung von Straßenbauten. Und, könnte man noch hinzufügen: Das Land, welches seine Existenz Dämmen verdankte, Holland, wurde in der frühen Neuzeit zum reichsten der Welt.

Mit all dem sollte nicht gesagt werden, dass es keine Umweltprobleme gibt. Und selbstverständlich muss man sich mit ihnen auch auseinander setzen. Um sinnvolle Maßnahmen treffen zu können - aber bitte nicht auf der Basis von hysterischen Untergangsszenarien. Es wäre an der Zeit, die Dinge etwas nüchterner zu betrachten. (DER STANDARD; Printausgabe, 19.4.2004)