New York - Nach den zahlreichen Skandalen auf den Chefetagen US-amerikanischer Großkonzerne gehen immer mehr Aktionäre auf die Barrikaden. Die Aufmüpfigkeit der Anteilseigner richtet sich gegen Misswirtschaft, Arroganz und in manchen Fällen Betrug. Es spielt keine Rolle mehr, ob ein Unternehmen gut verdient hat oder nicht.

Beispiel ist die Citigroup. Am kommenden Dienstag hält das größte US-Finanzinstitut seine Aktionärsversammlung ab. Die Spitzenbosse müssen sich auf harte Kritik gefasst machen, obwohl das Ergebnis im ersten Quartal den bisherigen Rekord übertroffen hat. Der Grund: Der als Calpers bekannte kalifornische Beamtenversicherungsfonds will Citigroups Spitzenmanager Sanford Weill und Konzernchef Charles Prince das Vertrauen verweigern. Sie hätten dem Wirtschaftsprüfer der Bank auch Beratungsverträge gegeben; das verstoße gegen die Regeln des Corporate Governance, lautet einer der Vorwürfe.

Vorgeknöpft

Immer stärker schauen institutionelle Investoren den Konzernlenkern auf die Finger. Calpers zum Beispiel hat sich 2.700 Unternehmen vorgeknöpft, die angeblich nicht im besten Interesse ihre Anteilseigner handeln. Das sind fast alle Firmen im Portfolio der Pensionskasse. Am Donnerstag nahm Calpers die Verwaltungsratsmitglieder des PC-Herstellers Apple Computer aufs Korn, darunter auch Mitgründer Steven Jobs und den ehemaligen amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore.

Selbst angesehene Leute wie Warren Buffett sind vor den Aktivisten nicht mehr sicher: Calpers will dem Investment-Guru wegen fehlender Unabhängigkeit das Vertrauen als Verwaltungsratsmitglied der Coca-Cola Company entziehen. Zuvor hatte Disney-Chef Michael Eisner die Macht von Calpers zu spüren bekommen.

Die massive Kampagne der Großaktionäre hat ihren Ursprung bei den Bilanzskandalen von WorldCom, Enron und Adelphi Communications. Den Chefs dieser Unternehmen wird regelrechter Betrug vorgeworfen. Neuerdings beschäftigt sich Calpers zunehmend mit Firmen, die ihre Buchprüfer auch Beratertätigkeiten zuschanzen. Das führt im Urteil des Fonds zu fragwürdigen Bilanzmethoden.

Calpers ruft andere Aktionäre auf, den Konzernlenkern bei den Hauptversammlungen auf die Finger zu klopfen. Die "Vote No"-Kampagne erfolgt zu einer Zeit, da die US-Börsenaufsicht SEC (Securities & Exchange Commission) neue Regeln erwägt, die die Bestellung eigener Verwaltungsratsmitglieder durch Großaktionäre erleichtern würde. "Im heutigen Umfeld hat Calpers eine größere Chance, das Verhalten von Unternehmensführungen zu beeinflussen als noch vor fünf Jahren", zitiert die Zeitung "The Wall Street Journal" die Leiterin des Council of Institutional Investors in Washington, Sarah Teslik. Der Council repräsentiert 130 Pensionskassen mit einem Anlagevermögen von insgesamt mehr als drei Bill. Dollar (2,5 Bill. Euro).

Die treibende Kraft des Aufstands der Großaktionäre sind die politischen Ambitionen des Kämmerers von Kalifornien, Phil Angelides, der möglicherweise im Jahr 2006 gegen Gouverneur Arnold Schwarzenegger antreten wird. Angelides sitzt im Calpers Verwaltungsrat. Er war der erste, der im vergangenen Jahr den Rücktritt des Chefs der New York Stock Exchange, Richard Grasso, gefordert hatte. Grasso ist seither wegen seiner exzessiven Bezüge gefeuert worden.

Auch andere Pensionskassen unterstützen Calpers, insbesondere was die Doppelfunktion der Wirtschaftsprüfer angeht. Im Urteil des Kämmerers des Staates New York, Alan Hevesi, der die Beamtenpensionskasse New York State Common Retirement Fund unter sich hat, sollten Unternehmen ihre Buchprüfern keine Beratungsaufträge zuweisen.

Die Bewahrung der Unabhängigkeit von Buchprüfern ist nicht der einzige Streitpunkt, den sich Calpers auf die Fahnen geschrieben hat. So verweigert Calpers dem gesamten Apple-Board das Vertrauen, weil er den von den Aktionären gebilligten Vorschlag über die Bilanzierung von Optionen ignoriert habe.

Die aggressive Kampagne der kalifornischen Beamtenkasse bringt manche Unternehmensgruppen auf die Palme. John Castellani, Präsident des Business Roundtable, hält das Vorgehen gegen 2.700 Unternehmen für einen "absoluten Overkill". Es führe zur Geldverschwendung, weil sich die betroffenen Firmen zur Wehr setzen müssten. "Das Ganze ist absurd", sagte er über die Entscheidung von Calpers, Warren Buffett das Vertrauen als Coca-Cola-Direktor zu entziehen. "Niemand kann behaupten, Buffett sei nicht unabhängig". Nach Meinung von Castellani will Calpers mit dieser Kampagne die SEC zur Annahme einer Regel bringen, die größere Aktionärs-Demokratie zulässt. Dagegen wehrt sich der Business Roundtable. (APA)