Wien - Die Wahl Franz Fiedlers zum Präsidenten des Rechnungshofes im Jahr 1992 verlief nicht nur am 25. Juni im Nationalrat turbulent, schon im Vorfeld gab es einige Aufregung. Nachdem sich ein gemeinsamer Kandidat der SP-VP-Koalition nach heftigen Anwürfen Jörg Haiders (F) zurückzog, kam es zum schwarz-blauen Probelauf. Die Regierungspartei ÖVP und die Oppositionspartei FPÖ kürten gemeinsam den ÖVP-Kandidaten Fiedler.

Als erste Partei hatte die ÖVP schon im Mai 1992 Fiedler als eigenen Kandidaten genannt. Seitens der SPÖ, aber auch von ÖVP-Politikern wurde immer wieder betont, dass man einen gemeinsamen Kandidaten suchte. Am 16. Juni, einen Tag vor dem Hearing im Hauptausschuss, präsentierten die Koalitions-Klubobmänner schließlich den Innsbrucker Steuerrechtler Werner Doralt als gemeinsamen Kandidaten.

Grüne und FPÖ hatten bereits eigene Kandidaten genannt - die Grünen drei, darunter ihren jetzigen Bundessprecher Alexander Van der Bellen, und die FPÖ Friedhelm Frischenschlager und den Klagenfurter Wirtschaftsprüfer Ernst Kohlfürst. Nach Doralts Präsentation zog die Opposition ihre Kandidaten aus Protest gegen den Pakt der Regierungsparteien aber zurück. Haider gab sich jedoch nicht geschlagen - er fuhr schwere, in späteren Gerichtsverfahren widerlegte Vorwürfe gegen Doralt auf.

Haiders Strategie ging auf - Doralt zog seine Kandidatur zurück, mit der Begründung, dass er einen Treuhandvertrag nicht offen legen könne. ÖVP und SPÖ beteuerten zwar, wieder einen gemeinsamen Kandidaten zu suchen. Dies gelang aber nicht - und so nominierte die SPÖ den Leiter des Verfassungsdienstes, Gerhart Holzinger. Haider äußerte klare Präferenzen für Fiedler und bot der ÖVP an, dass sie, wenn sie ihren Kandidaten durchbringen wolle, mit den Freiheitlichen rechnen könne.

Und die ÖVP brachte ihren Kandidaten auf diese Weise durch: Schon im Hauptausschuss wurde Fiedler mit schwarz-blauer Mehrheit als Kandidat gewählt. Am 25. Juni im Nationalrat wurde, entsprechend der Geschäftsordnung, geheim gewählt: 93 Stimmen lauteten auf Fiedler, 90 auf "Nein". 32 Stimmzettel waren mit einem "F" markiert. Die FPÖ hatte 33 Abgeordnete, die ÖVP 60.

Fischer unterbrach daraufhin die Sitzung, die Präsidiale zog sich zu langen Beratungen zurück. Fischer begründete diese Vorgangsweise damit, dass der Verfassungsgerichtshof in einem Erkenntnis vom 14. Juni 1986 die geheime Wahl des Steyregger Bürgermeisters in Oberösterreich für ungültig erklärt hat, weil damals einige Stimmzettel markiert gewesen seien.

Schließlich gab Fischer bekannt, dass in Übereinstimmung mit den Mitgliedern der Präsidiale und "insbesondere der drei Präsidenten" und der Klubs die Wahl des Rechnungshofpräsidenten zu den gleichen Bedingungen wiederholt werde. Auch in dieser Abstimmung entfielen 93 Stimmen auf Fiedler.

Im Protokoll dieser Präsidialkonferenz vom 25. Juni wird festgehalten: "Bei der Darlegung der verschiedenen Standpunkte wurde seitens der SPÖ und der Grünen vor allem darauf hingewiesen, dass die Markierung von Stimmzetteln einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz einer geheimen Wahl darstelle und damit der fundamentale Schutz des Wahlgeheimnisses nicht gewährleistet ist. Die Vertreter der ÖVP und FPÖ erklärten hingegen u.a., dass das bezogene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden könne und keine positiv-rechtliche Bestimmung im Geschäftsordnungsgesetz enthalten sei, die einen zusätzlichen Vermerk auf einem Wahlzettel für unzulässig erkläre. Nach einer sehr eingehenden längeren Diskussion kam man überein -, ohne daraus ein Präjudiz für die Zukunft abzuleiten -, den Wahlvorgang zu den gleichen Bedingungen wie beim ersten Mal zu wiederholen." (APA)