Ein 13-jähriger Schüler stach im weststeirischen Wies auf eine Mitschülerin ein und verletzte sie schwer. Das Mädchen ist außer Lebensgefahr. Der Bub, der eine "größere Aktion" plante, wurde in die Nervenklinik eingeliefert. Er hatte eine Nitroverdünnung und ein Feuerzeug bei sich.
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Graz/Wien - Steirisches Himmelreich, so nennt man die weststeirische Hügellandschaft im Bezirk Deutschlandsberg, in der die Marktgemeinde Wies eingebettet ist. In der 2580 Einwohner zählenden Gemeinde spielte sich am Donnerstagvormittag eine Tragödie ab. Ein 13-jähriger Schüler stach eine Schulkollegin nieder, der Bursche hatte "Größeres" vorgehabt.

In der 3a der Hauptschule wurde die zweite Unterrichtsstunde abgehalten, als plötzlich jemand mehrmals an die Tür klopfte. Die Lehrerin bat Marion zu öffnen. Vor dem Mädchen stand ein 13-jähriger Mitschüler und rammte ihr augenblicklich mehrmals ein Fleischermesser in den Bauch. Die 44-jährige Englischlehrerin ging dazwischen und entwand ihm das Messer.

Rettende Notoperation

Das Mädchen erlitt zwei Stichwunden im Bauch, wobei auch innere Organe verletzt wurden. Mit dem Rettungshubschrauber wurde Marion in die Grazer Kinderchirurgie gebracht, wo sie sofort operiert wurde. Laut Michael Höllwarth, dem Vorstand der Kinderchirurgie, gelang der Eingriff rechtzeitig: "Die Verletzungen wurden durch eine Notoperation erfolgreich behoben. Das Mädchen ist außer Lebensgefahr", so Höllwarth. Nach Einschätzung des Chirurgen dürfe das Mädchen, das offenbar das sprichwörtliche große Glück im Unglück hatte, das Krankenhaus bereits in etwa zehn Tagen verlassen, sofern keine Komplikationen auftreten.

Bestürzung und völlige Ratlosigkeit herrschten unterdessen in der Hauptschule. Das Krisenmanagement des Landesschulrates lief sofort voll an, und die gesamte Klasse wurde von Psychologen aus Graz betreut. Lehrer wie Schüler rätseln jedoch über die Motive des durchschnittlich guten Schülers, der selbst keine Beweggründe angeben wollte. Gerüchteweise soll der Angriff jedoch einer - zur Tatzeit abwesenden - Lehrerin gegolten haben.

Ruhiger, unauffälliger, netter Schüler

Ein Mitglied des Lehrkörpers ärgert sich im Gespräch mit dem STANDARD über vorschnelle Medienberichte, in denen der Täter als bekannt gewaltbereiter Jugendlicher beschrieben wird. "Das ist absolut falsch, er war immer ein ruhiger, unauffälliger, netter Bub. Ich bin völlig überrascht."

Nach seiner Einvernahme durch einen Kriminalbeamten in Anwesenheit des Landes-schulinspektors wurde der noch nicht strafmündige Täter in die Sigmund-Freud-Landesnervenklinik in Graz eingewiesen. Der zuständige Gendarmerie-Bezirkskommandant Alois Herzog, der selbst in der Nachbarschaft der "völlig intakten" Familie des Hauptschülers wohnt, ist ebenfalls überrascht und schockiert: "Niemand hat etwas geahnt, weder die Mutter noch die Lehrer. Aber offensichtlich hat er einen massiven Verfolgungswahn."

Psychische Probleme Der Bub habe angegeben, von "irgendwelchen, nicht realen Figuren in seiner Psyche" verfolgt worden zu sein. Im seinem Rucksack fand man einen ganzen Liter Nitroverdünnung, Klebebänder, und ein Feuerzeug. "Damit hätte er die Schule anzünden können", so Herzog. Der Bub habe auch zugegeben, dass er "Größeres vorgehabt" habe. Welcher Tragödie die Schule entgangen ist, will Herzog nicht erzählen: "Das ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt." (Colette M. Schmidt, DER STANDARD Printausgabe 16.4.2004)