Prinzipiell, erklären Willibald Plesser und Claus Staringer, die Experten der internationalen Anwaltskanzlei Freshfields, Bruckhaus, Deringer, eröffne die kommende Europäische AG ganz neue Spielräume für Konzerne, die in vielen europäischen Ländern Töchter oder Niederlassungen haben: Firmensitzverlegungen ohne vorangehende Liquidation sind steuerneutral möglich.
Vorteile der SE
Lange diskutierte grenzüberschreitende Verschmelzungen werden so im Zuge der künftigen SE möglich. Die Europa AG kann zudem wählen, welche Führungsform sie wählt - das anglo-amerikanische Board als Mischung von Geschäftsführern und Aufsehern oder das traditionelle europäisch zweistufige System von Vorstand und Aufsichtsrat. Zudem helfe die SE "unerwünschte nationale Zuordnungen" - etwa im Zuge von Fusionen - hintanzustellen: quasi ein philosophischer, europäischer Hintergrund.
Diesbezüglich, so Plesser, der am Donnerstag zum ersten SE-Klientenseminar lud, gebe es auch schon einiges Interesse heimischer Konzerne. Abgesehen von formalen Voraussetzungen müssen bei börsennotierten Gesellschaften allerdings auch die Hauptversammlungen einen Zweidrittelbeschluss für Umwandlung von "AG" in "SE" fassen.
Steuerhürde
Ob die SE von Europas Konzernen lediglich in Einzelfällen oder auf breiter Basis zwecks europäischer Identitätsstiftung angenommen werde, hänge aber noch an der Beseitigung einer großen Steuerhürde, erklärt Staringer: Denn will eine Holding ihren Sitz verlegen, dann hält der nationale Fiskus an der Grenze die Hand auf und will 25 Prozent Körperschaftsteuer.
Eine solche Wegzugsteuer für Holdings wirke "absolut abschreckend", kommentiert Staringer enttäuscht. Zwar ist für private Vermögende seit kurzem ausjudiziert, dass sie europaweit steuerneutral samt Vermögen umziehen können (DER STANDARD berichtete), für die Holding SE fehlen aber sowohl Vorgaben der EU als auch Judikatur. Staringer hofft diesbezüglich auf ein baldiges Nachbessern der europäischen Fusionsrichtlinie.