Wien - In den Verhandlungen um ein neues Dienstrecht für die ÖBB haben sich die Fronten in der fünften Gesprächsrunde neu verhärtet. Zwei Wochen vor Ablauf des vereinbarten Verhandlungszeitraums haben sowohl Gewerkschaft als auch Vorstand am Donnerstag neue Forderungen auf den Tisch gelegt. Die Gewerkschaft verlangt für die Streichung von Sonderurlaubsregeln und Nachtzeitzulagen im Gegenzug eine 37-Stunden-Woche für die rund 20.000 Eisenbahner im Schichtdienst. Der Vorstand will die bereits ausverhandelten Dienstrechtsänderungen per Gesetz festhalten. Beide Forderungen lehnen die jeweils anderen Seiten strikt ab.

Eisenbahnergewerkschaftschef Wilhelm Haberzettl glaubt dennoch weiter daran, dass sich Vorstand und Gewerkschaft bis Ende April einigen werden. Eine Eskalation habe es bei den heutigen Gesprächen nicht gegeben, sagte Haberzettl nach den Verhandlungen zur APA. Auch der ÖBB-Vorstand betonte, dass die Gespräche konstruktiv verlaufen seien und fortgesetzt würden.

37-Stunden-Woche "weder zielführend, noch marktkonform"

Gleichzeitig sagte ÖBB-Unternehmenssprecher Andreas Rinofner, dass die von der Gewerkschaft geforderte 37-Stunden-Woche aus Sicht des Vorstands "weder zielführend, noch marktkonform" sei. Es gebe in Österreich ohnehin ein Schwerarbeitergesetz, auf dessen Basis sollten "sachbezogene Regelungen für die betroffenen Berufsgruppen" gefunden werden.

Außerdem wolle man Rechtssicherheit für die bereits ausverhandelten Punkte, so Rinofner. Dabei geht es um die Anpassung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ans ASVG, um den Wegfall des Mitspracherechts der Gewerkschaft bei Entlassungen und vor allem um eine Reduktion der Gehaltsvorrückungen von 14 auf neun bei gleichzeitiger Ausdehnung der Vorrückungszeiträume von zwei auf drei Jahre. Zudem, hieß es aus dem Vorstand, solle verankert werden, dass Mitarbeiter zwischen den neuen Unternehmen der ÖBB-Holding versetzt werden könnten.

Rechtssicherheit nicht gewährleistet

Der Arbeitsrechtsexperte und ÖBB-Dienstrechtsexperte der Regierung, Wolfgang Mazal, hatte am Montag bereits vor den Verhandlungen erklärt, dass die Rechtssicherheit der bisherigen Vereinbarungen nicht gewährleistet sei. Weil die 47.000 Eisenbahner allesamt über Einzelverträge verfügten, hätten sie die Möglichkeit, von der Gewerkschaft ausverhandelte Vertragsänderungen vor Gericht einzuklagen.

Gewerkschaftschef Haberzettl lehnt eine gesetzliche Festlegung der bisher vereinbarten Dienstvertragsänderungen weiter strikt ab. Für jede kollektivvertragliche Änderung würden die ÖBB dadurch in Zukunft einen Beschluss des Nationalrats benötigen, meinte der Gewerkschafter.

"Flexibilität"

Inhaltlich, betonte er am Donnerstag, habe die Arbeitnehmervertretung in den Verhandlungen aber "Flexibilität" gezeigt. Zur Kürzung der Arbeitszeit für die Schichtdienstmitarbeiter - vor allem Lokführer, Verschub-Mitarbeiter und Fahrdienstleiter - habe die Gewerkschaft bereits zwei Alternativvorschläge eingebracht, die nun geprüft würden. Auch andere Ausgleichsmodelle für die Nachtarbeit - vergleichbar mit anderen Branchen-Kollektivverveträgen - seien vorstellbar, so Haberzettl.

Die nächste Verhandlungsrunde soll Mitte kommender Woche stattfinden. Die Regierung hat vorgegeben, dass die Verhandlungen zwischen Vorstand und Gewerkschaft bis Ende dieses Monats abgeschlossen werden sollen. Ziel ist die Einsparung von 100 Mio. Euro bei den ÖBB bis 2010. Gelingt dies nicht in der vorgegebenen Zeit, will die Regierung die Reform auf jeden Fall per Gesetz im Nationalrat beschließen. Die Gewerkschaft will sich bei der am kommendem Sonntag startenden Urabstimmung bereits grünes Licht für neue Streiks holen, für den Fall dass der Konflikt bei den ÖBB neuerlich eskaliert. Haberzettl erwartet eine Beteiligung von mindestens 70 Prozent und eine "breite Zustimmung" zur Gewerkschaftslinie

Im vergangenen Jahr waren die ÖBB wegen des ursprünglich geplanten Eisenbahner-Dienstrechtsgesetzes bereits drei Tage still gestanden. Es war dies einer der größte Streiks in der Geschichte der Zweiten Republik.(APA)