Finanzminister Karl-Heinz Grasser erklärt in Sachen Amnestie überraschend den Rückzug - damit der schöne Blick auf den saftigen Wald der Steuerreform nicht verstellt wird

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Wien - Erst vor zweieinhalb Wochen hatten den Finanzminister die Frage nach einem möglichen persönlichen Nutzen der von ihm massiv betriebenen Steueramnestie in Rage gebracht. Im ORF-Hörfunkinterview danach gefragt, ob er aufgrund der "Homepage-Affäre" eines Tages vielleicht selbst Nutznießer des Steuerablasses sein könnte, brach Karl-Heinz Grasser das laufende Interview lautstark ab. Mittwochabend kehrte Grasser überraschend auf die Bühne seiner akustischen Niederlage zurück - und verkündete im ORF-Abendjournal, dass er seine Pläne für die Steueramnestie zurückziehe.

Böhmdorfer setzte sich durch

Damit hat sich Justizminister Dieter Böhmdorfer in der FPÖ durchgesetzt. Böhmdorfer hatte bis zuletzt vehement verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Entwurf geäußert: Dieser würde ehrliche Steuerzahler gegenüber Steuerhinterziehern gravierend benachteiligen. Denn Steuersünder müssten nur 40 Prozent ihrer Steuern entrichten und blieben straffrei.

Der Regierungsvorlage zur Steuerreform, in der auch die Amnestiepläne verpackt waren, hatte Böhmdorfer nur unter der Bedingung zugestimmt, dass im Parlament eine entschärfte, verfassungskonforme Lösung gefunden werde.

Im ORF-Radio begründete Grasser seinen jetzigen Rückzug damit, dass die Debatte um die Amnestie die positiven Seiten der Steuerreform verdecken würde. Das Motto für 2004 und 2005 sei die Entlastung durch die große Steuerreform; dieses Motto wolle er nicht durch die umstrittene Amnestie belasten. Darum werde "die Steuerreform ohne Amnestie stattfinden."

Verteidigung pro forma

Pro forma verteidigte Grasser das Amnestievorhaben, das erst zu einem sehr späten Zeitpunkt überhaupt Teil der Steuerreform wurde. Aber er nehme zur Kenntnis, dass es auch gute Gründe dagegen gebe. "Sie wissen, ein gebranntes Kind greift nicht so gerne auf die Herdplatte zurück", sagte Grasser - ohne zu erklären, an welcher Platte er sich zuvor verbrannt hätte.

Der Rückzug des Finanzministers hatte sich bereits im Laufe des Mittwochs abgezeichnet, nachdem vor und nach dem Ministerrat die politische Debatte erneut aufgeflammt war. Allerdings wurde zuerst eine Art parlamentarische Entsorgung erwartet: Gegenüber dem STANDARD hatte Justizminister Böhmdorfer erklärt, dass die Amnestie von der Steuerreform durch einen Abänderungsantrag im Parlament entkoppelt würde. Aufseiten der ÖVP hatte Finanzsprecher Günther Stummvoll, selbst "kein Freund der Amnestie", ähnliches signalisiert. Eine solche Abkoppelung hätte einen Beschluss der Reform vor dem Sommer ermöglicht und das weitere Schicksal der Amnestie offen gelassen.

Wenn und Aber

Wie berichtet richten sich die Einwände dagegen, dass durch die Amnestie korrekte Steuerzahler gegenüber Hinterziehern benachteiligt werden: Geplant war, dass straffrei bleibt, wer vor Eröffnung eines Verfahrens 40 Prozent seiner Schuld anonym einzahlt. Zwar hatte der Finanzminister am Mittwoch Gutachten des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts sowie des Steuerrechtlers Michael Lang der Wirtschaftsuniversität Wien zur Verfassungskonformität vorgelegt. Aber "in den Gutachten sind so viele Wenn und Aber enthalten, dass die Bedenken eigentlich bestätigt werden", kommentierte Böhmdorfer.

Grasser hatte schon vor seinem definitiven Rückzug erklärt, die Amnestie sei "keine Fahnenfrage, sondern die zwanzigste Priorität eines großen Reformwerks". Aus dem Umfeld des Dritten Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn (FP) hieß es, er sei in der Frage der Amnestie auf der Linie Böhmdorfers - also dagegen.

Er sei sehr froh darüber, dass die "schmerzhafte Debatte" der vergangenen Wochen nunmehr beendet sei und Grasser sein Vorhaben zurückgenommen habe, sagte Böhmdorfer nach der Erklärung des Finanzministers. Er gehe davon aus, dass die Amnestie nunmehr ersatzlos entfällt, das sei die "unausweichliche Konsequenz". Die Regierung können sich nun zu Recht berühmen, die größte Steuerreform der zweiten Republik geschafft zu haben.

"Schwere Niederlage"

Die Oppositionsparteien, aber auch der Arbeitnehmerflügel der ÖVP, der ÖAAB, begrüßten die Entscheidung. Der grüne Budgetsprecher Werner Kogler nannte den Rückzug in einer Aussendung eine schwere Niederlage des Finanzministers. SPÖ-Budgetsprecher Christoph Matznetter sieht den "Sieg der Vernunft in der Auseinandersetzung um die unsägliche Steueramnestie".

ÖAAB-Generalsekretär Werner Amon erklärte, dass mit dem Aus für die Amnestie der Forderung des ÖAAB entsprochen wurde. (Helmut Spudich, DER STANDARD Printausgabe, 15.4.2004)