Wien - Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat seine Steueramnestie-Pläne begraben. Nachdem sich bereits im Lauf des Mittwoch ein Kurswechsel abgezeichnet hatte, verkündete der Minister abends im ORF: "Die Steuerreform wird ohne Amnestie stattfinden." Justizminister Dieter Böhmdorfer (F), der von Anfang an Bedenken geäußert hatte, zeigte sich postwendend "sehr froh" über das Einlenken Grassers. Erfreut zeigten sich auch die SPÖ, der ÖAAB und die Wiener FP. Die Grünen orteten eine "schwere Niederlage" Grassers.

Das gebrannte Kind und die Herdplatte

Die Debatten um die Amnestie würden die positiven Seiten der Steuerreform verdecken, argumentierte Grasser seine Entscheidung. Das Motto der Jahre 2004 und 2005 sei die Entlastung durch die große Steuerreform. Dieses Motto wolle man nicht mit der Diskussion belasten. Es gebe einerseits gute Gründe, eine Steueramnestie vorzusehen, so Grasser weiter. Dabei verwies der Minister auf drei solche Amnestien, die es bereits in Österreich gegeben habe, aber auch auf Amnestien in anderen Ländern. Er nehme aber zur Kenntnis, dass es auch gute Gründe gegen eine solche Amnestie gebe. Fazit des Finanzministers: "Sie wissen, ein gebranntes Kind greift nicht so gerne auf die Herdplatte zurück."

Kurswechsel abgezeichnet

Zuvor hatte sich Mittwoch Vormittag bereits ein Kurswechsel in Sachen Steuerreform abgezeichnet. So hatte Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) dafür plädiert, die Amnestie aus dem Paket der Steuerreform herauszulösen. Und auch Grasser hatte schon betont, die von ihm geplanten Maßnahmen nicht mehr zur "Fahnenfrage" werden zu lassen. Schon bei der Beschlussfassung der Steuerreform im Ministerrat am 23. März war das Thema Amnestie herausgelöst worden - man beschloss, die Verhandlungen dazu unabhängig vom Ministerratsbeschluss fortzuführen.

60 Prozent Rabatt

Die Steueramnestie sollte laut den Plänen von Grasser und Finanzstaatssekretär Alfred Finz für 2001 und die Jahre davor gelten. Es war geplant, dass nachträglich nur 40 Prozent der Schulden bezahlt werden müssten. Zeit, von diesen 60 Prozent Rabatt zu profitieren, hätten Schuldner bis Mitte kommenden Jahres gehabt. Auf Regierungsseite hatte sich vor allem Böhmdorfer gegen diesen Plan ausgesprochen. Innerhalb der ÖVP war vor allem der Arbeitnehmerflügel ÖAAB gegen die Pläne aufgetreten. Vorbehalte hatte auch Finanzsprecher Günter Stummvoll.

"Schmerzhafte" Debatte

Böhmdorfer und der ÖAAB waren denn am Mittwoch Abend auch unter den ersten, die den Kurswechsel Grassers begrüßten. Der Justizminister räumte zwar ein, dass die Debatte der vergangenen Wochen "sehr schmerzhaft" gewesen sei. Nun könne sich die Regierung aber zu Recht berühmen, die größte Steuerreform der Zweiten Republik geschafft zu haben". Und ÖAAB-Generalsekretär Werner Amon meinte, mit dem endgültigen Nein zur Amnestie sei der Forderung des ÖABB Rechnung getragen worden. Die Steuerreform sei zweifellos ein großer Wurf, "aber nun, ohne der Amnestie, ohne negativen Beigeschmack".

Matznetter erfreut

Auf Seite der Opposition betonte SPÖ-Budgetsprecher Christoph Matznetter, er freue sich, "dass in der Auseinandersetzung um die unsägliche Steueramnestie letztlich die Vernunft gesiegt hat". Mit ihrer beharrlichen Kritik und ihrer klaren Absage, Steuersündern ihre Steuerhinterziehung mit 60 Prozent Rabatt auf Kosten der ehrlichen Steuerzahler zu subventionieren, habe sich die SPÖ durchgesetzt. "Finanzminister Grasser und Kanzler (Wolfgang, Anm.) Schüssel haben letztlich von ihrem wirtschaftspolitischen Irrweg abgehen und klein beigeben müssen", so Matznetter. Allerdings sei es mit der Rücknahme der Steueramnestie aus Sicht der SPÖ noch nicht getan sei. Ebenfalls ersatzlos zu streichen wäre aus Sicht der SPÖ etwa die geplante steuerliche Subventionierung von im Ausland befindlichen Gesellschaften via "Gruppenbesteuerung" an.

Grüne: Schwere Niederlage Grassers

Die Grünen sahen vor allem eines: eine "schwere Niederlage" für den Finanzminister. Grünen-Budgetsprecher Werner Kogler meinte dazu, die Begründungen für den Rückzug seien ebenso abenteuerlich wie die Amnestie selbst. In Wahrheit sei der Minister nämlich "an der offenkundigen Verfassungswidrigkeit seines Vorschlages gescheitert". (APA)