Zwischen dem Beginn der US-Offensive in Falluja sowie den Aktionen gegen den jungen Schiitenführer Muktada al-Sadr einerseits und den Waffenstillständen und Verhandlungen an beiden Fronten zum Wochenende andererseits liegen nur wenige Tage - aber ein dramatischer Wechsel der US-Strategie. Dies hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass die US-Armee zwar Hunderte Kämpfer - und Zivilisten - in Falluja tötete, die 200.000-Einwohner-Stadt aber auch mit tagelangen Gefechten nicht unter Kontrolle bringen konnte (unwillkürlich stellt sich die Frage, was wohl gewesen wäre, hätte der Kampf um Bagdad vor einem Jahr wirklich stattgefunden). Und Falluja entzündete rund um Bagdad gleich einige andere Brandherde. Im Süden mussten die Besatzer feststellen, dass der Radikalinski Sadr mehr Unterstützung genießt, als allgemein bekannt - nicht weil er so beliebt ist, sondern weil sie so unbeliebt sind.Der schlimmste Schock für die USA ist aber eher die Antwort auf die von Experten seit Monaten diskutierte Frage, wo im Konfliktfall die Loyalitäten der neuen irakischen Polizei und Armee liegen würden. Nach ersten Meldungen, dass zur Wochenmitte in Bagdad Polizeikräfte gegen die USA und an der Seite der schiitischen Rebellen kämpften - was man eher dem allgemeinen Chaos zuschrieb -, häufen sich Berichte über Sicherheitskräfte, die sich im besten Fall heraushielten, im schlechteren "Lang lebe Sadr" rufend auf die Straße gingen. Und zu Falluja musste die US-Armee eingestehen, dass ein dorthin entsandtes irakisches Bataillon den Einsatz verweigert habe. Darauf auf die gesamte Polizei und die gesamte Armee zu schließen wäre verfrüht, aber dennoch: Die Übergabe der Sicherheitsagenden an die Iraker wird nicht wie geplant stattfinden können. Damit bricht wieder ein Pfeiler des US-Plans für den Irak zusammen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.4.2004)