Wien - Andreas Rainer hat einen Traum: In dem steigen die Wienerinnen und Wiener frühmorgens (so wie jetzt) unausgeschlafen, aber (im Gegensatz zu jetzt) mit erwartungsvollen Mienen in die U-Bahn. Und jedes Mal, wenn der Gong ertönt, dem die Ansage der nächsten Station folgt, spitzen sie die Ohren.

Denn irgendwann - eingeleitet von einem kleinen Jingle - ist es (in Andreas Rainers Traum) so weit: "Oh holde Maid, zur Maienzeit, erlös mich doch vom Liebesleid" deklamiert eine Stimme voll Inbrunst. Im Zug brandet Applaus auf. Menschen lächeln. Einige greifen zum Handy, um per SMS zu "voten". Denn ihnen gefällt dieses Stück U-Bahn-Poesie besser, als jenes, das sie früher gehört haben.

Konzept: "U-Poesie"

Andreas Rainer ist einer, der Träume gerne umsetzt. Deshalb hat er mit dem Künstlerkollektiv Xobarap den Traum in ein Konzept gegossen: "U-Poesie" heißt es - und wurde nun den Wiener Linien zur Prüfung übermittelt.

"Wir wollen im September starten", erklärt Rainer. Konkret soll eine Jury aus dem zu erwartenden Vers-Berg wöchentlich jene Hand voll auswählen, die dann in U-Bahn-Zügen zwischen den Stationsansagen vom Band kommen sollen. "Nicht in Heavy Rotation", beruhigt Rainer, "sondern nur ein paar Mal pro Fahrt." Per SMS soll das Publikum Wochen- und Gesamtsieger küren. "Die Wiener Linien", so der U-Bahn-Kulturvermittler, "würden ein kulturoffenes Image gewinnen."

Machbarkeit wird geprüft Ebendort - bei den Öffi-Betreibern - betont man, das Projekt gerade "auf Machbarkeit und Eignung" zu prüfen. Entschieden sei zwar noch nichts, freilich stehe eines fest: "Unsere Lautsprecheranlagen sind nur für betrieblich Durchsagen da." Man wisse - Versuche (etwa die Beschallung der U-Bahn-Stationen mit Kaufhausmusik) gab es ja schon - aber eines: "Unsere Kunden wollen das nicht." (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Printausgabe 9.4.2004)