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Rumsfeld kündigt ein "robustes Vorgehen" der US-Armee im Irak an

fotos: apa/epa/marquette
Washington/Bagdad - Ungeachtet zahlreicher Opfer auch in den eigenen Reihen sind die USA entschlossen, die Aufständischen im Irak zu besiegen. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld kündigte am Mittwoch einen entschlossenen Kampf an. Die Truppen würden "militärisch robust vorgehen, wo nötig", sagte er in Washington. Die USA hätten keinerlei Absicht, den Irak zu verlassen. "Wir sind fest entschlossen, die Oberhand zu behalten." Angesichts der schweren Kämpfe erwägen die USA jedoch vorübergehend mehr Truppen im Irak einzusetzen als geplant.

"Etwas Gesetzlosigkeit"

Rumsfeld erklärte am Mittwochabend auf einer Pressekonferenz im Pentagon, nur eine "relativ kleine" Anzahl von Aufständischen sei in die Kämpfe verwickelt. Es handle sich um eine "Mischung weniger Terroristen, weniger Milizionäre, gepaart mit einigen Demonstrationen und etwas Gesetzlosigkeit".

"Es ist ein erstes Problem. Und das Problem wird angegangen", sagte Rumsfeld. Wegen des laufenden Truppenaustausches sei die Zahl der US-Soldaten im Irak planmäßig auf 135.000 gestiegen. Es sei wahrscheinlich, dass einige erfahrene Soldaten nun länger als geplant im Irak blieben, "um die Situation zu bewältigen". Am Ende des Truppenaustausches sollen noch 115.000 Soldaten im Irak stationiert sein. Wie schon US-Präsident George W. Bush vor ihm bekräftigte Rumsfeld, dass die USA am 30. Juni als Termin für eine Machtübergabe an eine irakische Übergangsregierung festhielten.

Najaf und Kut nicht mehr unter Kontrolle

Die US-geführten Besatzungstruppen im Irak haben nach Angaben von US-General Ricardo Sanchez keine Kontrolle über die Städte Najaf und Kut. Die Truppen, zu denen auch spanische und ukrainische Soldaten gehören, seien in ihren Stützpunkten am Stadtrand, sagte Sanchez sagte am Donnerstag in Bagdad. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte zuvor ein Verstärkung der amerikanischen Irak-Truppen in Aussicht gestellt. Zugleich hatte er erklärte, die Lage sei keineswegs außer Kontrolle geraten.

Blix: "Am Rande des Bürgerkriegs"

Nach Einschätzung des früheren UNO-Chefwaffeninspektors Hans Blix steht der Irak "heute am Rande des Bürgerkriegs". "Die US-Truppen sind nicht ausreichend stark, um die Ordnung aufrecht erhalten zu können", sagte der ehemalige schwedische Politiker und Diplomat der französischen Tageszeitung "Le Parisien". "Der Irak ist zu einer Maschine geworden, die Terrorismus produziert." Nach seiner Einschätzung würde US-Präsident George W. Bush den Militäreinsatz im Irak aus heutiger Sicht "nicht wieder machen".

Unter dem Eindruck der Eskalation der Gewalt kritisierte der höchste schiitische Geistliche des Landes, Großayatollah Ali Sistani, das Vorgehen der US-Streitkräfte. Der in Najaf residierende Großayatollah "verurteilt die Methoden, die von den Besatzungstruppen in der gegenwärtigen eskalierenden Situation angewandt werden", hieß es in einer Erklärung.

Cook kritisiert USA

Der ehemalige britische Außenminister und Labour-Mehrheitsführer im Unterhaus Robin Cook hat den USA vorgeworfen, die Krise durch unnötig aggressives Auftreten noch zu verschärfen. "Die US-Streitkräfte müssen aufhören, sich wie Krieger aufzuführen, und anfangen, sich wie Friedenssoldaten zu verhalten", sagte Cook in einem BBC-Interview. "Jedes Mal wenn sie über die Dörfer fliegen und da Raketen reinfeuern, überzeugen sie auch den Letzten davon, dass sie als Feinde kommen. Wir brauchen jetzt eine Politik minimaler Gewaltanwendung, um zu versuchen, die Situation zu entschärfen - statt sie zu verschärfen wie in den vergangenen Tagen." Die Machtübergabe am 30. Juni werde nichts ändern: "Machen wir uns nichts vor: Das ist doch vor allem symbolisch."

Mindestens 280 Iraker in Falluja getötet

In der irakischen Stadt Falluja sind nach Angaben von Ärzten seit Sonntag zwischen 280 und 300 Iraker bei Kämpfen getötet worden. Mindestens 400 Menschen seien verletzt worden, sagte der Direktor des größten Krankenhauses der Stadt. Die US-Armee hatte in der sunnitischen Stadt eine Offensive gegen irakische Freischärler gestartet, die dort in der vergangenen Woche vier zivile Mitarbeiter einer US-Sicherheitsfirma gelyncht und ihre Leichen geschändet hatten.

Die Prediger in Falluja haben die Bürger am Donnerstag aufgerufen, die Leichen ihrer Angehörigen zu einem provisorischen Friedhof in das Stadtzentrum zu bringen. Wie Augenzeugen berichteten, riefen die Prediger über die Lautsprecher der Moscheen, die bei den Kämpfen der vergangenen Tage Getöteten sollten auf dem Gelände eines Sportclubs beigesetzt werden, da es derzeit unmöglich sei, die weiter außerhalb gelegenen Friedhöfe zu erreichen. Ein Augenzeuge in der ebenfalls umkämpften Stadt Ramadi, die westlich von Falluja liegt, sagte, auch mehrere Frauen hätten sich inzwischen bewaffnet und den Aufständischen angeschlossen.

Weiterhin Kämpfe

Bei neuen Gefechten in der westirakischen Stadt Falluja sind in der Nacht auf Donnerstag fünf Iraker getötet und mindestens zehn weitere Menschen verletzt worden. Das berichteten Krankenhausärzte in der seit Tagen umkämpften Stadt. Augenzeugen sagten,in der Nähe einer Schule sei ein US-Armeehubschrauber abgestürzt. Östlich von Falluja seien bei Gefechten auch US-Soldaten getötet worden. Dafür gab es zunächst keine Bestätigung der US-Armee.

Der arabische Nachrichtensender Al Jazeera (Katar) meldete, am Morgen seien Tausende von Demonstranten in einer Solidaritätskundgebung von Bagdad in Richtung Falluja gezogen, die von den US-Soldaten seit Tagen abgeriegelt wird. Gekämpft wurde am Donnerstagvormittag auch an einer Brücke westlich von Ramadi. Dabei wurde laut Augenzeugen ein Iraker getötet. Im Westen der Hauptstadt Bagdad ist am Donnerstagmorgen nach Polizeiangaben eine Bombe detoniert. Ambulanzen rasten zum Explosionsort, der von der Polizei abgesperrt wurde. Über Opfer wurde zunächst nichts bekannt. Durch die Bombe wurde ein Krater in die Straße gerissen. Zuvor hatten Zeugen von einer lauten Explosion im Westen der Stadt berichtet, wo sich auch das Hauptquartier der US-geführten Streitkräfte befindet. Über der Stadt stieg schwarzer Rauch auf. (APA/Reuters/AP/red)