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15 Jahre im Lager: Igor Sutjagin.

Foto: REUTERS/Anton Denisov
Wissenschafter der Spionage zu beschuldigen hat beim russischen Geheimdienst Tradition. Die Anzahl derartiger Spionageprozesse hat unter der Präsidentschaft Wladimir Putins allerdings zugenommen. Am Mittwoch etwa hat ein Moskauer Schwurgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit den 39-jährigen Physiker Igor Sutjagin zu 15 Jahren Lagerhaft wegen Spionage verurteilt.

Sutjagin, Mitarbeiter des Russischen Instituts für Studien zu USA und Kanada, war schon im Oktober 1999 unter dem Vorwurf festgenommen worden, vertrauliche Informationen über neue russische Waffensysteme an die englische Consulting-Agentur "Alternative Futures", unter deren Deckmantel laut FSB der US-Geheimdienst agierte, verkauft zu haben.

Der Angeklagte und seine Anwälte haben nie geleugnet, dass Sutjagin der genannten Agentur Informationsmaterial übergeben hat, aber stets beteuert, dass dieses ausschließlich aus schon publizierten Artikeln allgemein zugänglicher Zeitungen und Zeitschriften entnommen worden sei. "Meine einzige Schuld besteht darin, mit Ausländern verkehrt zu haben", sagte Sutjagin nach der Verurteilung.

Für Menschenrechtsaktivisten markiert dies den Beginn politischer Repressionen in Russland, wie es sie zuletzt vor 20 Jahren gab. Sutjagins einstiger Institutsdirektor Sergej Rogov bezweifelte, dass Sutjagin über ein in den Augen der Anklage derart brisantes Informationsmaterial verfügt habe.

Geschichte und Verlauf des Prozesses stellen die russische Rechtsstaatlichkeit in Frage. So hatte das Bezirksgericht von Kaluga, wo die Causa Sutjagin Ende 2001 erstmals behandelt wurde, befunden, dass die Anklagepunkte haltlos waren und das Strafrecht von den Untersuchungsorganen "wesentlich verletzt wurde". Sutjagin blieb dennoch weiter in Untersuchungshaft, der FSB ermittelte weiter, ehe das Moskauer Stadtgericht am Anfang November des Vorjahres den Prozess neu aufrollte.

Dort wurden laut Sutjagins Anwälten eine Expertise, die keine Geheimnisse in Sutjagins Material konstatierte und ihn entlastet, von den Geschworenen fern gehalten. Außerdem seien unmotiviert die Zusammensetzung des Geschworenengerichtes verändert und die Begutachtungsfristen beim Stadtgericht verletzt worden.