Dabei komme es zunächst zu einer taktischen Allianz zwischen den Schiiten und den Sunniten. "Das gemeinsame Ziel, Amerika und die Besatzer zu vertreiben, das schmiedet sie zusammen." Danach werde sich das Szenario jedoch ändern. "Ich rechne damit, dass es einen Bürgerkrieg gibt, der ausgetragen wird im Wesentlichen zwischen der schiitisch-arabischen Mehrheit, der sunnitisch-arabischen Minderheit und dann mehr und mehr den Kurden."
Mehrheit der Iraker wünsche sich neue Ordnung
Die Mehrheit der Iraker wünsche sich eine neue Ordnung. "Aber die Frage ist genau die, welche Ordnung soll es denn sein? Wie viel Religion wird diese Ordnung bedürfen? Wer wird denn herrschen?" Das seien so essenzielle Fragen, "dass sie möglicherweise erst einmal durch Waffengewalt ausgetragen werden müssen", sagte Steinbach.
Auch der Schweizer Islam-Forscher Reinhard Schulze glaubt, dass sich die Situation im Irak nicht so schnell beruhigen wird. Bereits im vergangenen Oktober habe Sadr versucht, nach der Anschlagserie in den heiligen Stätten Najaf und Nassiriya sich von den ehrwürdigen schiitischen Gelehrten abzusetzen und so etwas wie eine eigenständige Politik zu entwickeln, sagte der Professor für Islamwissenschaft in Bern der Nachrichtenagentur sda. Sadr habe damals die Situation genutzt, um zu zeigen, dass die alten schiitischen Organisationen nicht in der Lage seien, die Interessen ihrer Anhänger zu schützen.
Al Sadr gegenüber Sistani gestärkt?
Das habe zwar nicht zum Erfolg geführt und Ayatollah Ali Sistani, einer der einflussreichsten Personen unter den irakischen Schiiten, habe sich durchgesetzt. Aber während Sistani die Politik für eine Weile dominiert habe, sei Sadr wohl in der Lage gewesen, mehr Leute an sich zu binden, als man mitbekommen habe, sagte Schulze. Es könne deshalb durchaus sein, dass er jetzt, im Unterschied zum Oktober, sowohl in Bagdad als auch in anderen Städten erheblich mehr Rückhalt habe. Sadrs Bewegung habe vor allem in den armen Vorstädten der Hauptstadt die Rolle der Sozialversorgung übernommen und sei damit quasi in den leeren öffentlichen Raum vorgestoßen. Sadr nenne seine Bewegung deshalb auch die "Bewegung der armen Leute".