Straßburg - Der 63 Jahre alte Kurden-Aktivist Mehdi Zana hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einen Sieg gegen die Türkei davongetragen. Das Straßburger Gericht rügte am Dienstag eine Verurteilung Zanas in der Türkei zu zwei Jahren Haft wegen kritischer Äußerungen vor dem Europaparlament als Verstoß gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Außerdem werteten die Straßburger Richter das Verfahren vor einem so genannten Staatsicherheitsgericht als Verletzung des Rechts auf einen fairen Prozess. Sie wiesen die Regierung in Ankara an, dem 63-Jährigen 7.500 Euro Entschädigung zu zahlen.

Der frühere Bürgermeister der türkischen Stadt Diyarbakir und Ehemann der inhaftierten türkisch-kurdischen Politikerin Leyla Zana hatte im Oktober 1992 vor einem Ausschuss des Europaparlaments über die Zerstörung kurdischer Dörfer durch türkische Soldaten berichtet. Er warf der Türkei vor, die Kurden und ihre Kultur systematisch zu unterdrücken. Anschließend wurde er in der Türkei wegen "separatistischer Propaganda" zunächst zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. 1995 reduzierte ein Staatssicherheitsgericht diese Strafe auf zwei Jahre.

Nach Auffassung des Straßburger Gerichtshofs war das Strafmaß unangemessen, zumal sich Zana als "Akteur des politischen Lebens in der Türkei" geäußert habe. Das Verfahren rügte der Gerichtshof als parteiisch, weil damals in den türkischen Staatssicherheitsgerichten Militärrichter vertreten waren.

Mehdi Zanas Frau Leyla wurde 1994 wegen Unterstützung der verbotenen bewaffneten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu einer 15-jährigen Haftstrafe verurteilt. Aufgrund der Reformen in der Türkei, die einen Beitritt in die EU anstrebt, wurde der Prozess im vergangenen Jahr neu aufgerollt. Das Urteil soll am 21. April gefällt werden. Trotz wiederholter Appelle von Europarat und Europaparlament lehnte die türkische Justiz eine Haftverschonung für die 42 Jahre alte Kurdin ab.

Türkei erneut für Übergriffe von Sicherheitskräften verurteilt

Außerdem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei für gewaltsame Übergriffe türkischer Sicherheitskräfte 1993 im Südosten des Landes verurteilt. Wie das Gericht am Dienstag in Straßburg mitteilte, muss Ankara den 32 Klägern wegen zahlreicher Vergehen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention Entschädigungen von insgesamt rund 920.000 Euro bezahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann von beiden Seiten angefochten werden.

Die Kläger stammen aus einem Dorf im Südosten des Landes. Der Ort wurde 1993 von Sicherheitskräften beschossen, die dort Mitglieder der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vermuteten. Dabei kamen zwei Kinder ums Leben. Die Beamten drangen in die Ortschaft ein, brannten Häuser nieder und nahmen fast alle Männer in Gefangenenschaft. Einer starb in Haft, ein weiterer wurde ohne Verfahren mehr als fünfeinhalb Jahre lang festgehalten. (APA/dpa)