Salzburg - Für seine Berliner Philharmoniker hat Sir Simon bei Arbeitsantritt einen Traum formuliert - jenen vom riesigen Kammerensemble. Die Umsetzung dieses Ideals wird auch äußerlich sinnfällig. Wenn er sich verbeugt, steht Rattle zumeist nicht vor seinen Musikern, sondern mitten unter ihnen, demonstriert so seine Haltung, wonach gelungenes Musizieren letztlich auch Ergebnis kollektiver Kommunikation unter Gleichberechtigten ist.

Es wär' dies natürlich alles nur hohle Pose, würde sich dieser Ansatz nicht auch im klanglichen Ergebnis materialisieren. Nun, man konnte Rattle beim Ton nehmen: Ravels zweite Suite Daphne et Chloé wurde im Großen Festspielhaus zum Demonstrationsstück gemeinsamen Atmens, man hatte mitunter den Eindruck, nur einem Instrument zuzuhören.

Rattle ist der hypersensible, agile Gestalter voller Innenspannung. Ein Detailverliebter, der sich mitunter auch im Detail verliert. Nicht hier: Der große Bogen stimmt, die dreiteilige impressionistische Schönheit schwebt oder stampft mit Eleganz und Virtuosität, der Sound ist nie pauschal. Jede Klangregung ist zu vernehmen, passagenweise ist der Ansatz der Streicher so sanft, als würden die Saiten von einem Windhauch zum Schwingen gebracht werden. Ungemein differenziert auch die kollektive Arbeit an der Dynamik, geschmeidig und logisch die Crescendo-Decrescendo-Spiele.

Hier hätte das Konzert durchaus schon enden können. Mehr ging nicht. Immerhin: Poulencs eklektischem Konzert für zwei Klaviere folgte die Demonstration kultivierter Duo-Partnerschaft von Katia und Marielle Lab`eque. Bevor Debussys La Mer das Ereignishafte des Anfangs in den Schuss hinüberrettete.

Mitten in den Osterfestspielen ist vor den Osterfestspielen, jenen von 2005: Da gibt man im Opernbereich Benjamin Brittens Peter Grimes (Inszenierung: Sir Trevor Nunn) und pendelt bei den Konzerten (Rattle dirigiert alle) zwischen Britten, Schubert, Schostakowitsch und Mozart. Für das Amadeus-Jahr 2006 zieht Sir Simon hingegen die Verweigerung vor. Dem sommerlichen Fest schenkt man die diesjährige Così-Inszenierung. Selbst gibt man 2006 Debussys Pelléas et Mélisande. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.4.2004)