Wien - "Frag nicht, warum ich gehe" - eine Zeile aus einem Lied, das Walter Reisch 1930 verfasste. Und eine Aufforderung, der man, so scheint es, hierzulande auch noch nachträglich (und im Perfekt) nur zu gerne nachkam, wenn es etwa darum ging, nicht nach den durch die Nationalsozialisten vertriebenen, österreichischen Filmschaffenden zu fragen, zu denen auch der Autor des Liedes zählte.

Das Filmarchiv Austria erinnert mit seinem Aprilprogramm Kino. Schreiben. Exil. nun an einige von ihnen: Von 19. bis 28. April werden Vicki Baum, Salka Viertel und Gina Kaus, drei "Filmautorinnen in Hollywood" vorgestellt. Vorher jedoch steht der 1983 in Los Angeles verstorbene Reisch im Zentrum einer Retrospektive - und der Anthologie Walter Reisch. Film schreiben, die Günther Krenn herausgegeben hat.

Reisch wird 1903 in Wien geboren. Am Anfang seiner späteren Laufbahn als Drehbuchautor steht unter anderem das Verfassen von Zwischentiteln. Er zieht nach Berlin, mit Beginn der Tonfilmära wendet er sich vor allem erfolgreich dem Musikfilm zu. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ist die Karriere des aus einer jüdischen Familie stammenden Autors in der deutschen Filmindustrie beendet.

1936 geht Reisch nach England und schließlich ins US-Exil. Die MGM nimmt ihn unter Vertrag. Gemeinsam mit Billy Wilder und Charles Brackett schreibt er Ninotchka, weiters verfasst er Drehbücher zu Comrade X (mit Hedy Lamarr), Gaslight (mit Ingrid Bergman) oder Niagara (mit Marilyn Monroe).

Ausgedacht hat sich Reisch schon vorher, in den 30er-Jahren, unter anderem brüchige Figuren wie diese: seltsam zwischen den Zeiten und Weltordnungen gefangene, melancholische Männer wie den ausgemusterten Offizier oder den abgedankt habenden Aristokraten, die Willi Forst in Das Lied ist aus und Der Prinz von Arkadien verkörpert - für die dazu gehörigen Evergreens hat er die Texte verfasst.

Süße Schärfe

Episode heißt 1935 sein Regiedebüt, das ein Wien anno 1922 entwirft, in dem ökonomische Zwangslagen junge Frauen in die Arme wohlhabender "Mäzene" treiben. Und auch hier gelingt ihm ein hintergründiges Zeitbild als Mischung aus geschärftem Realitätssinn und atmosphärischen Schwebezuständen. Paula Wessely, die die Hauptrolle spielt, hatte ein Jahr zuvor in Maskerade nach einem weiteren Reisch-Buch ihr erfolgreiches Filmdebüt gefeiert.

In den 50er-Jahren dreht Reisch vorübergehend wieder in Deutschland: Auch Die Mücke (1954) rückt eine an sich resolute, unabhängige Frau ins Zentrum, die unter veränderten Rahmenbedingungen nur mit Mühe und Zugeständnissen ihr Fortkommen sichern kann. Ein Fundstück unter vielen. (DER STANDARD, Printausgabe vom 3./4.4.2004)