Wien - Michael Chalupka, Direktor der Diakonie, blickt mit Sorgen in die kommenden vier Wochen: Die Zahl obdachloser Asylwerber werde vor dem 1. Mai - jenem Termin, ab dem die Quartiersuche aus der Bundes- in Länderkompetenz übergeht - weiter ansteigen. Derzeit stehen im Osten Österreichs mehrere Hundert Flüchtlinge auf der Straße.
Deren verzweifelte Lage machte sich schon im Streit um Plätze in einer völlig überlasteten Notschlafstelle der Caritas Luft (DER STANDARD berichtete). Auch im Lager Traiskirchen kommt es immer öfter zu Zaunüberquerungen, um illegal im Lager zu übernachten, und zu anschließenden Hinauswürfen - erzählen Flüchtlingsberater.
Kein großer Neuandrang
Dabei kann von einem besonders großen Neuandrang von Asylwerbern gar nicht die Rede sein. Trotz gestiegener Asylantragszahlen im März sanken die Zahlen im ersten Quartal 2004 im Vergleich zum Vorjahr von 6237 auf 5890 (siehe Grafik). Vielmehr - so Diakoniemitarbeiter Christoph Riedl - wanderten immer weniger Asylwerber in andere EU-Staaten weiter: Eine Konsequenz der Fahndungserfolge gegen Schlepperbanden. Auch das europaweite Fingerabdrucksystem Eurodac schrecke vor dem Untertauchen ab.
Prekär sei die Unterbringungslage jedoch vor allem, weil es dem Innenministerium trotz vieler Ankündigungen und Appelle nicht gelungen ist, für ausreichend Unterbringungsplätze zu sorgen, betont Chalupka, obwohl an sich noch Plätze zur Verfügung stünden. In Kasernen etwa - eine Möglichkeit, die das Rote Kreuz dem Ministerium eröffnet hat. Doch "diese Option wurde wieder verworfen", erläutert Rotes-Kreuz-Sprecher Bernhard Jany. Ein Großteil der Bürgermeister habe die Zustimmung verweigert, die der Minister von ihnen explizit verlangt.
Ortschefentlastung
Auch in Privatquartieren, so Chalupka, seien wegen Ortschef-Vetos derzeit 350 Plätze blockiert. Aus diesem Grund ist er froh, dass eine Reihe von Bundesländern für die Zeit nach dem 1. Mai ein Abgehen von der Bürgermeisterkonsultation signalisiert hat. Ganz so, wie es Städtebundpräsident Erich Pramböck fordert, der am Dienstag in Linz einen Sozialausschuss über die künftige dezentrale Flüchtlingsbeherbergung abhielt.