Wien - Trotz der in rund einem Monat bevorstehenden EU-Erweiterung erwartet die staatliche Betriebsansiedlungsgesellschaft Austrian Business Agency (ABA) heuer eine deutliche Steigerung bei Betriebsansiedlungen gegenüber dem Vorjahr. In den ersten zwei Monaten 2004 seien mit über 500 um 60 Prozent mehr Erstanfragen bei ABA eingegangen als im Jahresdurchschnitt 2003, sagte ABA-Chef Rene Siegl am Dienstag zur APA. Aus Deutschland - vor allem Bayern - habe sich die Zahl sogar verdoppelt. Für das Gesamtjahr 2004 rechnet Siegl mit über 100 bis zu 120 Neuansiedlungen in Österreich, was gegenüber 82 im Vorjahr eine Steigerung um mindestens ein Viertel bedeuten würde.

KöSt-Senkung

Als Grund für das wieder steigende Interesse an Ansiedlungen in Österreich nennt Siegl die Steuerreform 2005, und hier vor allem die Senkung der Körperschaftssteuer (KöSt) von 34 auf 25 Prozent und die Gruppenbesteuerung, die erlauben wird, Verluste von mehr als 50-prozentigen Auslandsbeteiligungen bei der österreichischen Mutter steuerlich zu neutralisieren. Nicht so wichtig für eine Ansiedlungsentscheidung ist laut Siegl der häufig kritisierte nominelle Höchststeuersatz von 50 Prozent bei der Lohn- und Einkommensteuer in Österreich.

Im Vergleich mit den westeuropäischen Ländern sei Österreich mit dem künftigen KöSt-Satz von 24 Prozent "exzellent positioniert", gegenüber den osteuropäischen Beitrittsländern werde es steuerlich konkurrenzfähig. Die Qualität der heimischen Arbeitskräfte sei ein Atout, ferner die wirtschaftliche und politische Stabilität und die noch immer relativ geringe Streikbereitschaft. Ferner spräche die geografische Lage am Schnittpunkt zu Ost- und Südosteuropa für Österreich.

Hohes Lohnniveau

Als nachteilig für Ansiedlungen nannte Siegl gegenüber den neuen EU-Mitgliedern das höhere Lohn- und Gehaltsniveau in Österreich, was sich in niedrigeren Lohnstückkosten von 20 bis 50 oder 60 Prozent in Mittel-Osteuropa gegenüber Österreich ausdrücke. Die höhere Arbeitsproduktivität in Österreich spiele keine Rolle, wenn es sich um neue Fabriken handle, die auf der grünen Wiese nach westlichen Maßstäben errichtet werden. Ein Standortplus für die Beitrittsländer seien auch die dortigen Absatzchancen in noch ungesättigten Märkten, mit vergleichsweise deutlich höheren Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts.

Bei den Erstanfragen für Ansiedlungen in Österreich dominieren Dienstleistungsunternehmen. Darunter vor allem industrienahe Dienstleistungen, in der Informationstechnologie (IT) und Finanzdienstleister. Nur 10 Prozent entfallen auf Produktionen. Großprojekte, wie neue Automobilfabriken, gingen ausschließlich nach Osteuropa. "Für diese Art von Produktionen sind wir aufgrund der Lohnkostenunterschiede derzeit nicht konkurrenzfähig", sagte Siegl.

Slowakei steuerlich attraktiv

Steuerlich sei die Slowakei mit ihrem Anfang 2004 eingeführten Einheitssteuersatz von 19 Prozent besonders attraktiv. Aber auch Ungarn biete einen KöSt-Satz von nur 16 Prozent und Tschechien beabsichtige eine Senkung von 28 auf 25 Prozent. "Wir haben um die großen Autofabriken sowie Autozulieferprojekte mitgeboten, sind aber nicht einmal in die Endrunde gekommen", sagte Siegl. Im Raum Trnava oder Zilina in der Slowakei, wo Autofabriken von PSA Peugeot-Citroen und Kia-Hyundai entstehen, betrage das Lohnniveau nur ein Fünftel von Österreich. (APA)