Foto: Georg Klenovsky

Wien - Nach ihrer "Nestroy"-prämierten Inszenierung von George Taboris "Mein Kampf" (gemeinsam mit Hubsi Kramar) am Originalschauplatz des Männerwohnheims in der Wiener Meldemannstraße erarbeitet Tina Leisch seit dem vergangenen Juli auf der Baumgartner Höhe mit Patienten des Otto Wagner Spitals und Schauspielern ein Stück über die Vorgeschichte der mörderischen rassehygienischen NS-Psychiatrie. "Irrgelichter im Spiegelgrund" hat am Donnerstag (1.4.) im Jugendstiltheater Premiere und ist bis 22. April zu sehen.

Der Ort

Bei seiner Eröffnung 1907 galt die Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof als eine der patientenfreundlichsten und fortschrittlichsten in ganz Europa. Ab 1940 wurden dort - wie im ganzen Deutschen Reich - 8.400 Psychiatriepatienten planmäßig ermordet.

Die Theaterproduktion beschäftigt sich damit, welche politischen, geistesgeschichtlichen, medizin- und institutionengeschichtlichen Machtkämpfe dem Sieg der Eugeniker und Rassehygieniker und ihrer Konzeption vom "lebensunwerten Leben" vorausgingen; wie ÄrztInnen, die ihr Handwerk gelernt hatten, um Menschen zu heilen, im Namen der medizinischen Wissenschaft zu MörderInnen werden konnten.

Das Stück

Das Stück spielt im Jahr 1934, zu einem Zeitpunkt, als die Wurzeln für das Grauen der NS-Zeit schon längst mehr als nur kleine Triebe ausgeschlagen hatten: Eine sozialistische Februarkämpferin flüchtet vor der Verfolgung durch die Heimwehr auf den Steinhof, wo sie sich als depressive Selbstmordkandidatin ausgibt.

Dort trifft sie auf den Nationalsozialisten Otto Rothstock, der 1925 den Erfolgsschriftsteller und Sexualaufklärer Hugo Bettauer erschossen hat; auf Johann Nelböck, der 1936 auf der Universitätsstiege den Mentor des "Wiener Kreises", den Philosophieprofessor Moritz Schlick erschießen wird; auf Margarethe Trude Neumann, die Tochter von Theodor Herzl; auf Friedl Roth, die Frau von Joseph Roth; auf den Säufer Kiraly und den Pazifisten Mokosch, den Seher Lewandowski, den Kleptomanen Hinterlechner und den Paranoiker Rosencrantz. Auf Individualpsychologen, Psychoanalytiker und Rassehygieniker. Die ideologischen Barrikadenkämpfe toben auch in der Heilanstalt, zwischen den Patienten ebenso wie zwischen den Doktoren.

Mitwirkung von Psychiatrie-Patienten

Den Text haben Tina Leisch und Lennart Lakatos geschrieben, wobei die Produktion einerseits auf historischer Recherche und andererseits auf Improvisationen mit Patienten der Pavillons 12 (Alkoholiker) und 23 (psychisch kranke RechtsbrecherInnen) des Otto Wagner Spitals basiert. Ein Primar ist Schirmherr des Experiments, von dem auch positive therapeutische Effekte für die mitwirkenden Laiendarsteller erhofft werden. Das Profi-Schauspieler-Team setzt sich u.a. aus Leo Lukas, Sylvia Bra, Mara Mattuschka, Anna Clare Hauf, Julia Schranz, Christoph Künzler und Sylvia Vargova zusammen. (APA)