"Microflat"

Foto: Sam Price Ltd.

"turnOn-Urban Sushi"

Foto: awg
"Raum ist in der kleinsten Hütte für ein glücklich liebend Paar", wusste schon Schiller. Recht hat er: Platz ist immer. Irgendwie. Aber wer hat schon eine eigene Hütte? Und wo gibt es noch glückliche Paare? Die Lage der Nation heißt eher "young, free and single". Und selbstverständlich "very urban". Zeit, dass sich die Hütten anpassen, finden Architekten und Designer, deren Wohnkonzepte einem neuen Anspruch gerecht werden müssen: klein, schick, Platz sparend, großstadttauglich, extravagant - aber nicht nur für Großverdiener leistbar.

Für die gibt es schließlich schon genug Behausungen auf der Welt. "turnOn-Urban Sushi" nennt ein Wiener Architektenteam sein Konzept einer Rundum-Wohnung. Leben wie im Hamsterrad. Tun wir doch alle, irgendwie. "Das andere an diesem Ansatz ist, dass nicht nur der Boden als Spielfläche dient. So kann man alles auf ein Minimum reduzieren, aber ein Maximum herausholen", sagt Andreas Marth, einer der fünf Köpfe der Designergruppe mit dem Namen "awgalles wird gut".

Betrachtet man eine normale Wohnung und ihre Einrichtung, steht alles nebeneinander auf dem Boden: Tisch neben Stuhl neben Bett. Sofa neben Sessel neben Lampe. Klo neben Badewanne. Aber: Wer verwendet schon alles gleichzeitig? Warum nicht einfach das Bett an die Decke drehen, wenn man aufgestanden ist? Das Sofa an die Wand hängen, wenn man essen möchte. Hoch die Badewanne - wenn leer. Schließlich ist das Rad schon erfunden. "turnOn" baut auf diese Erfahrung auf: Ein Rad rotiert in einer Bodenhalterung, die fix integrierten Möbel rollen einfach mit - der Bewohner ist der Einzige, der immer auf dem Boden bleibt. Und läuft. Und wahrscheinlich bald rotiert oder durchdreht. Der Prototyp des Ringes ist 3,20 hoch und 90 cm tief - das

entspricht einer Wohnfläche von rund neun Quadratmetern. Nicht kleiner als so manches Zimmer. Wem das als Wohnraum zu wenig ist, der kauft sich eben ein zweites Rad dazu. Und vielleicht ein drittes, viertes, fünftes.

Jedes für circa 12.000 Euro, die Palette reicht von Modell "Nasszelle" bis "Relax". "Wir haben das eher für Singles konzipiert, sich eine ganze Familie darin vorzustellen ist schon schwierig. Schließlich gibt es ja auch noch die Schwerkraft", sagt Marth. Wohnen auf kleinstem Raum geht auch eckig.

Während "turnOn" - zumindest bis zur Massenfertigung - doch eher einem provokativen Kunstobjekt als einem Eigenheim entspricht, geht das Münchner I-Home auf die konkrete Problematik der extremen Wohnpreise in der bayerischen Hauptstadt zurück. Gerade Studenten können sich nicht einmal ein Zimmer leisten, geschweige denn eine eigene Wohnung. Das "I-Home" soll Abhilfe schaffen. Kein Kreis, sondern ein Würfel bestimmt die Form: 2,55 mal 2,55 mal 2,55 Meter. Knappe sechs Quadratmeter, aber darin Platz zum Kochen, Duschen, Lernen, Schlafen.

Auch hier bekam das Bett eine Speziallösung und einen neuen Namen: Das "Kein-Bock-auf-Aufräumen-Bett" kann an Schienen die Wand hinaufgefahren werden, schließlich ist darunter wertvoller Wohnraum. Zum Fahrradreparieren zum Beispiel. Oder als Tanzfläche bei der Studentenparty. "Zunächst denken alle, das ist zu klein. Aber die dreidimensionale Nutzung lässt den Wohnraum groß werden", sagt Lydia Haack, Projektleiterin des I-Home.

Ein Zauberwürfel: Der Boden ist Stauraum, die Wände dienen als Schränke, aus der Sitzecke wird im Handumdrehen ein Minibüro. Fenster in alle Richtungen sowie eine kleine Stufe mitten im Würfel helfen, das Raumgefühl zu verbessern. "Das I-Home hat nichts von der unbequemen Funktionalität und Enge eines Schlafwagens. Das Ziel war es, nah am Leben zu sein", sagt Haack. Der Lifestyle-Container, der seinen Namen bei einem schicken Computer geliehen hat, wurde von Studenten der TU München entwickelt: Das 1 : 1-Modell-Probehäuschen, genannt "Mock-up", ist fertig, wartet auf Testbewohner und könnte dann im Erstfall auf einem netten, urbanen Münchner Brachland aufgestellt werden. Entpuppt sich ein anderes Viertel als hipper, rollt der Wohnwürfel eben wieder woanders hin. "Die Maße von 2,55 Metern entsprechen exakt der höchstzulässigen Transportbreite auf öffentlichen Straßen, für die keine Sondergenehmigung nötig ist", sagt Haack.

Überall, wo der Platzmangel groß und die Preise demnach unbezahlbar sind, entstehen große Ideen für wenig Platz: Ergo muss London ein wahres Mekka für Wohnkonzepte auf kleinstem Raum sein. Das kleine Appartement "Microflat" - erhältlich im Kaufhaus Selfridges in der Oxford Street - ist eines davon. 32 Quadratmeter groß ist "Microflat", eine Kleinstwohnung ähnlich dem I-Home, aber bereits mit richtigem Grundriss: Schlafzimmer, Badezimmer, Küche und Lounge hat die Wohnung zu bieten, sogar ein kleiner Balkon ist vorgesehen.

Selfridges ließ eine "Microflat" in seinem Schaufenster aufstellen, Probebewohner fanden sich sofort. Jetzt wird nach optimalen Grundstücken für die Instant-Wohnung gefahndet. Zum Beispiel bieten sich Flachdächer von Supermärkten an. Auf großen Flächen könnten dann richtige "Communities von Micronauten" entstehen: Setzt man mehrere Wohnungen auf-und nebeneinander, sieht das Gebilde wie ein richtiges Wohnhaus aus. Wie ein Designerwohnhaus, denn grelle Farben und große Glasflächen gehören zur Grundausstattung - und trösten ein wenig darüber hinweg, dass man nicht gerade ein Schloss bewohnt.

Endlich ein Eigenheim

Für all jene, die nach ihrer Studentenzeit im I-Home und einem Auslandssemester im Microflat endlich ein Eigenheim wollen, steht "Susi" als nächste Anschaffung auf dem Programm - die österreichischen Architekten Kaufmann & Kaufmann gestehen den Bewohnern ihrer schon seit längerem realisierten Wohnidee schon ein wenig mehr Platz zu: Ganze 35 Quadratmeter hat das von ihnen kreierte Fertighaus. Die Betonung liegt auf Haus. Kein Zimmer, kein WG-Ersatz, keine Kleinwohnung, sondern ein richtiges Eigenheim will "Susi" sein. Da passen schon zwei hinein, sofern sie sich gut verstehen. Ein Container auf Stelzen - von den Architekten als Designerhaus verkleidet. 12,5 Meter lang und 3,50 Meter breit ist der Prototyp, nicht mehr ganz so leicht zu transportieren wie das I-Home, aber aus hochwertigen Materialien und immer wieder zerleg-und neu erbaubar.

"Theoretisch", sagt Erfinder Johannes Kaufmann, "in der Praxis setzt man das Haus aber meist einmal auf das Grundstück, und dort bleibt es." Durch die Pfahlbauweise entsteht unter dem Wohnraum auch noch Lagerraum oder ein Autoabstellplatz - eine Art Kellerersatz für die Sammler unter den Susi-Bewohnern. Der Innenraum kann je nach Belieben aufgeteilt werden, die Holzkonstruktion an den verglasten Seitenfronten ist gleichzeitig Regal - ein besonders verspieltes Detail. Der Preis: circa 48.000 Euro - alles inklusive.

Da Susi in der Halle und in Serie gefertigt wird, dauert der Hausbau nur wenige Stunden - noch am selben Abend kann die Housewarming Party steigen. Und wenn dem "glücklichen Paar" doch Nachwuchs ins Haus steht? "Im Moment arbeiten wir gerade an einer Doppel-Susi. Eine Einheit als Wohnbereich, die andere mit Schlafzimmern, verbunden mit einer Art Wintergarten", sagt Kaufmann. Alles wird gut. (DERSTANDAR/rondo/Katrin Stockmayer/19/03/04)