Johann Strauss: Des Verfassers beste Laune. Charmant-Walzer op. 31

Porträt-Lithographie auf der Titelseite von Josef Kriehuber, 1829

Foto: Wiener Stadt- und Landesbibliothek
Wien - Jedes Mal, wenn das neue Jahr telegen im Dreivierteltakt begrüßt wird, müsste er eigentlich im Grab rotieren. Zwar schließt das philharmonische Kollektiv sein Konzert immer mit seinem Radetzkymarsch. Sonst dominieren die Töne seines ältesten Sohnes. Auch zu Lebzeiten hat sich Vater Strauß gegen die kindlichen Musikambitionen gewehrt. Warum auch immer.

Geigen wurden weggesperrt, der Musikunterricht der Kleinen verboten. Und wie die Jahre ins Land zogen und sich die Revanchewünsche der betrogenen Gattin Anna Streim (sie ließ die Söhne im Geheimen ausbilden) erfüllten, da "Schani" mit dem Alten in den Walzer-Ring stieg, blieb es bei Animositäten.

Vater drohte Veranstaltern, bei ihnen nicht aufzutreten, so sie den Sohn beschäftigten. Er regte sich über Strauß-Plakate auf, wenn das Wort "Sohn" zu klein geschrieben war, und weigerte sich, auf den seinen das Wörtchen "Vater" schreiben zu lassen. Als hätte er, der gelernte Buchbinder, geahnt, was dereinst der Fall sein würde: Wiewohl er gemeinsam mit Joseph Lanner, dessen Violaspieler und Mitarbeiter er war, als Schöpfer des Walzers, wie man ihn heute als historische Größe kennt, zu gelten hat, räumt heute vor allem "Schani" ab.

Zu Lebzeiten war eigentlich Platz für alle da und Vater Strauß gut im Geschäft. Im Gasthaus hat ihn noch Schubert gehört, er spielte auch bei der Krönung von Königin Viktoria. Und Wiengast Chopin beschwerte sich: "Lanner, Strauß und ihre Walzer beschatten alles." Chopins erster Walzer hatte Publizierungsprobleme: "Haslinger hat alle Veröffentlichungen zurückgestellt und druckt nur noch Strauß. Alle Leierkasten spielen Strauß!"

Beeindruckt auch der junge Wagner, anno 1832: ". . . und ein wahres Wonnegewitter des wirklich mehr von der Musik als von den Getränken berauschten Auditoriums trieb die Begeisterung des zauberischen Vorgeigers auf beängstigende Höhe." Das Geschäft lief gut, trieb den Schöpfer oft in die Erschöpfung. Nebst Dauereinsatz an der Tournee- und Konzertfront galt es ja auch in Windeseile zu schreiben. Oft anlassbedingt. Diese Woche hätte er wohl einen Schausberger-Trauermarsch oder eine Gabi-Polka, womöglich gar einen Jörg-Galopp geschrieben. Einst waren es Geburts- und Namenstage der Kaiserfamilie, Künstlerbesuche in Wien und technische Neuheiten, die inspirierten.

Die Musikfabrik hatte somit unter Zeitdruck zu produzieren: Man kündigte oft eine Musikneuheit an, von der am Morgen desselben Tages noch kaum eine Note ersonnen war. Man traf einander in der Wohnung des Komponisten, und es begann das Teamwork: ein Einfall, Einrichten der Noten für das Orchester. Weiterschreiben und am Abend servieren - oft kaum geprobt. Für solche Fälle wurde auch eine Sammlung von Melodien angelegt. Auch geschäftlich war man innovativ: Statt Spenden des Publikums abzuwarten, wurde ab 1830 Eintrittsgeld verlangt.

Er konnte es gut gebrauchen. Er glücksspielte gerne. Auch zu Weihnachten, was ihm eine Verurteilung eintrug. Der ewige Romeo. Knapp nachdem Streim Eduard gebar, schenkte ihm seine Geliebten Emilie Trampusch das erste von sieben Kindern. Eines von ihnen brachte ihm "wenig" Glück. Es steckte ihn mit Scharlach an, Strauß stirbt 45-jährig in der Kumpfgasse. Die Wohnung war leer, die Trampusch weg. Vaters Kapelle übernahm "Schani". (DER STANDARD, Printausgabe, 12.3.2004)