Foto: Konzett
Uns scheint: Der Bedrohung des ORF durch Private begegnet dieser mit einem gewissen Hang zur engen Definition von Sitte und Anstand. Marktlücke Prüderie sozusagen. Da darf ein Schuhfirmenspot erst nach 19.30 Uhr gesendet werden, weil darin zwei Damen andeuten, sie würden schmusen.

Wenn das so weitergeht, wird bald vieles nicht mehr so sein wie jetzt. Das Aussterben droht. Es neigt ja etwa der Fußballer im Taumel der erfolgreich ins Ziel gebrachten Kugel auch zum Tabubruch und bildet im Augenblick des Glücks auf dem Rasen nicht selten spontan Mannesskulpturen von gleichgeschlechtlicher Glückssymbolik.

Gottlob ist der ORF da nicht konsequent. Er gestattet nicht nur schmusende Sportler. In Kochsendungen dürfen nach wie vor symbolträchtige Gewächse wie Bananen, Gurken und Eier der kulinarischen Verwendung zugeführt werden. Zudem kauft der ORF auch bei den Privaten Lustig-Schlüpfriges für die späten Abendstunden ein (unlängst Donnerstagnacht, diese witzige Brusthaar-Brötchen-Show samt Gesprächen über den Genitalbereich).

Aber die Folgen der Sittenstrenge sind spürbar - bis in die Bereiche der seitenblickhaften Kommunikation. Nicht, dass wir jetzt unbedingt wissen wollten, ob Malerfürst Ernst Fuchs Viagra nimmt. Aber dass ihn solches durchs Österreichfenster von ProSieben gefragt wurde, stimmt uns Gebührenbezahler nachdenklich. Der ORF kann nicht mit Arte mithalten, dachten wir, aber auch nicht mit den Kommerzprivaten. Na was jetzt! (tos/DER STANDARD; Printausgabe, 10.3.2004)