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Gemeint sind mit "natural wines" Weine, denen keine oder minimalst Hilfsstoffe wie Schwefel zugesetzt wurden oder die in Amphoren und dergleichen vergoren respektive gereift wurden.

Natural wines* sind im Moment in aller Munde. Die Nachfrage ist enorm, und in einschlägigen Foren wird heftig diskutiert. Befeuert wird die Debatte durch ein Statement von Michel Chapoutier in der aktuellen Ausgabe des englischen Weinmagazins Decanter. Chapoutier ist als Chef eines der wichtigsten Häuser an der Rhône und überzeugter Verfechter der Biodynamie nicht irgendjemand: Keinen Schwefel zu verwenden sei eine Dummheit, meint er und fragt sich, wie man es als Weinmacher nur zulassen könne, dass sich schädliche Hefen entwickelten, die den Wein verderben. Die Polemik der Befürworter findet er unerträglich. Er habe es satt, sich dem Diktat "dieser Hippies aus einer völlig anderen Welt" zu unterwerfen.

Ob jetzt alle "natural wines" fehlerhaft sind, ist zu bezweifeln, ebenso wie nicht alle nach der Schul-Önologie hergestellten Weine einwandfrei sind. Fakt ist, dass es bis dato kaum Studien über die tatsächlichen Inhaltsstoffe im Vergleich zu Normalo-Weinen gibt. Vieles ist also den Mutmaßungen, Befindlichkeiten und Geschmacksknospen von Befürwortern wie Gegnern überlassen. Fakt ist auch, dass es eine große Diskrepanz zwischen der Akzeptanz von natürlichen Lebensmitteln und "naturbelassenem" Wein gibt.

Geschmackserlebnis

In der derzeit gepriesenen Hochküche setzt man auf Natur pur und durchstreift Wiesen und Wälder auf der Suche nach Flechten und Wildkräutern. Isabelle Legeron MW, überzeugte Pro-Natural-Wines-Aktivistin, argumentiert, dass wir stinkigen Epoisses aus Rohmilch wegen seiner Einzigartigkeit schätzen und Apfelsaft nur noch akzeptieren, wenn er mindestens naturtrüb ist, bei Wein aber auf Sterilität bestehen.

Manche, die den einen oder anderen "natural wine" probiert haben, können vielleicht - wie auch die Autorin - von aufregend guten Geschmackserlebnissen erzählen. Dennoch ist es so: Zwischen den Extremen, die beiderseits ins Religiöse kippen können, gibt es unendlich viele Weine, bei deren Herstellung Dogmatismus, auch in der Art, wie er von Michel Chapoutier verkündet wird, nichts verloren hat. Sie werden vielleicht nur mit der Einstellung gemacht, dass weniger technische Eingriffe und weniger Beigaben von welchen Mitteln auch immer grundsätzlich sympathisch sind. (Der Standard/rondo/10/02/2012)