Vertragen sich Fisolen und Kohlsprossen, oder sollte man Brokkoli quasi als Mediator dazwischensetzen?

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Niedrige Temperaturen fördern die Illusionen. Diese setzen sich aus realen Bild- und Gedankenkonzepten zusammen, aus erlebten Eindrücken und verarbeiteten Erfahrungen. So eine Erfahrung kann ein erstmaliger, letztjähriger Ausflug in den Anbau essbarer Pflanzen sein. Beim Krepela in Penzing standen ein paar Paletten mit Salatsetzlingen im Weg, andere Pflanzenaficionados griffen eifrig zu, und unter dem Druck der Masse, angesteckt von Hysterie und Begeisterung, fanden ein paar Babyhäuptel den Weg nach Gersthof. Aber auch diese "Na, selbstverständlich!"-Serie in den Eingangsbereichen der Nahversorger drängten einem Artischocken, Paradeiser, Pfefferoni und Paprika auf. Ein eigenes Kräuterbeet komplettierte den privaten Gemüsemarkt, auf Obst wurde gänzlich verzichtet.

Der Anbau selbst macht keine Freude, man muss Flächen finden, freilegen, andere Pflanzen bedrängen, beengen und verdrängen. Und muss man wissen, dass die Paradeiser den Platz eines Kleinwagens einnehmen werden? Muss man wissen, dass die Artischocken riesige, stachelige Blätter über die zarten Bodendecker hängen werden? Allerdings, konnte man wirklich damit rechnen, dass man stille, tiefe Zufriedenheit empfinden wird, wenn man vollreife Paradeiser ernten, nicht essen, aber doch zubereiten wird? Dass man jeden Morgen gespannt bei den Salaten vorbeischauen wird, bereits neueste Marinadenkreationen im Kopf durchdeklinierend und abschätzend, ob man dem frischgrünen Blattknäuel noch einen weiteren Tag Wachstum schenken wird? Diese Konzepte einmal im Kopf, entsteht die Illusion vom echten, wahrhaftigen Gemüsebeet im bevorstehenden Sommer.

Immense Arbeitsleistung

Vom Hochbeet im Durchgang zwischen Nord- und Südgarten, vom schneckenfreien Erntewunder, vom Gurkeneck, Zucchiniwinkel, vom Erdäpfelacker bis zur Kukuruzhecke. Das kann was werden, das wird das teuerste Gemüse überhaupt. Denn die Arbeitsleistung wird immens sein.

Ich sehe fünfzig Vierziglitersäcke Gartenerde in Kofferräume hineingehievt, herausgehievt und in den Garten geschleppt - die Besuche beim Osteopathen in der Ottakringer Kornhäusel-Villa werden obligat und zahlreich sein. Ich sehe Schaufel, Spaten und Spitzhacke die Scholle bearbeiten und sehe die Verzweiflung beim Bau der das Hochbeet eingrenzenden Mauer. Die Mühsal des Einsetzens, die Plage des Unkrautrupfens, die Angst vor Schädling und Fraßfeind, die Sorge um Urlaube ermöglichende Bewässerung, die Zweifel am doch recht schattigen wiewohl hellen Standort, ... unterzieht sich dem irgendwer freiwillig? Gibt es dafür nicht Professionisten?

Exakte Planung

Wie auch immer, der Zug in Richtung Gemüsebeet ist gedanklich abgefahren, wie abgefahren der Gedanke auch immer sein mag; exaktere Planungen setzen bereits ein. So sind zum Beispiel Zugänge zu den einzelnen Pflanzen und deren Früchte zu planen, Zugänge, die nicht bei jedem Regen verschlammen, die aber auch nicht viel Platz in Anspruch nehmen. Es sind Gemüsegruppierungen abzuwägen: Wer darf neben den Gurken blühen? Vertragen sich Fisolen und Kohlsprossen, oder sollte man Brokkoli quasi als Mediator dazwischensetzen?

Und die Karotten? Verdienen die ein eigenes Beet, oder drücke ich die Samen zufällig verteilt in die unterschiedlichsten Beete? Es ist noch viel zu illusionieren, bis die große Desillusion, sprich: Verwirklichung, eintritt. Wir werden ja sehen. (Gregor Fauma/Der Standard/rondo/10/02/2012)