Ein Bild aus der "Brigitte" von 1967.

Foto: Gundlach
Foto: Gundlach

Geboren als Franz Christian Gundlach 1926 in Hessen gilt F. C. Gundlach als einer der wichtigsten deutschen Modefotografen der Nachkriegszeit. Seine Werke zeugen von einer intensiven Beschäftigung mit moderner Kunst, seit vielen Jahren sammelt er auch selbst. 200 Modebilder aus seiner Sammlung stellt er jetzt in Wien aus.

Foto: Gundlach

Stephan Hilpold hat mit dem 85-Jährigen F.C. Gundlach im Vorfeld von dessen Wiener Ausstellung gesprochen.

DER STANDARD: In der Kunst wurde die Modefotografie lange nicht für voll genommen. Warum?

F. C. Gundlach: Es hat lange gedauert, bis man der Modefotografie ihren kommerziellen Hautgout verziehen hat. Aber als man Michelangelo engagierte, waren das auch Auftragswerke. Wenn mich ein Bild auch nach 50 Jahren noch beeindruckt, dann ist es egal, ob es einen kommerziellen Hintergrund hat oder nicht.

DER STANDARD: Trotzdem hängen Modebilder erst seit kurzem im Museum.

Gundlach: Das hängt mit der Geschichte der Fotografie zusammen. Fotografie war das erste bildliche Massenmedium, das hat der Fotografie sehr geschadet. Dazu kam, dass Fotos mit einem Apparat gemacht wurden, das hat viele Künstler von der Fotografie abgehalten.

DER STANDARD: Inwiefern hat die Annäherung zwischen Fotografie und Kunst Ihre Arbeit geprägt?

Gundlach: Ich will die Frage umgekehrt beantworten: 1966 kaufte ich das erste Blatt von Roy Lichtenstein. Wenn Sie meine Bilder jener Zeit ansehen, dann werden sie viele Parallelen erkennen. Teilweise sind sie pure Op-Art.

DER STANDARD: Damals arbeiteten Sie für die "Brigitte". Konnten Sie dort Ihre künstlerischen Ambitionen auch umsetzen?

Gundlach: Ich hatte einen Vertrag über 300 Seiten im Jahr, ich hatte also einiges an Einfluss. Die Brigitte war damals Avantgarde! Für mich ist Mode mehr als die reine Klamotte. Mode ist eine substanzielle Entscheidung, die einem ganz persönlichen Lebensgefühl entspricht.

DER STANDARD: Ihre Anfänge liegen in den 50ern, ein sehr uniformes Jahrzehnt.

Gundlach: Die Uniformität wurde bereits von Diors New Look aufgebrochen, eine ungeheuer feminine Mode, die mit der Langeweile der Nachkriegsmode brach.

DER STANDARD: An wem haben Sie sich damals orientiert? Gab es so etwas wie eine genuin deutsche Modefotografie?

Gundlach: Es gab die Dame, die bei Ullstein erschien. Die Nazis haben der Mode einen größeren Spielraum als anderen Industriezweigen eingeräumt. 1941 gründeten sie eine Zeitschrift, die es nur auf Englisch gab und die für den Export in skandinavische Länder bestimmt war. Mode wurde gegen Erz getauscht.

DER STANDARD: Man fing als Fotograf nach dem Krieg nicht bei null an?

Gundlach: Man fing schon sehr bescheiden an. Die Struktur der Mode funktionierte allerdings sofort wieder. Es wurde eine Nähmaschine aufgestellt, und man fing an zu nähen. Der Mode wurde erst durch den Bau der Berliner Mauer 1961 der Todesstoß versetzt. Das Modezentrum in Berlin lag ja im Osten.

DER STANDARD: Ihre Sammlung versammelt viele Größen der Modefotografie. Wie schwer war es, an die Bilder zu kommen?

Gundlach: Die meisten kannte ich: Avedon, Penn. Als Penn anfing, zeigte er mir seine Prints. Ich fand die Arbeiten gar nicht gut. Ich habe ihm das auch gesagt, er war nicht gerade erfreut darüber. Die Modefotografie hat er in seinem Werk immer nach hinten geschoben.

DER STANDARD: Dieses "nach hinten schieben" erlebt man auch bei deutschen Fotografen wie etwa bei Wolfgang Tillmans. Auch Juergen Teller nähert sich sehr der Kunst an.

Gundlach: Tillmann hat sich immer im Kunstkontext verstanden, er ist einfach nur einen anderen Weg gegangen. Zu Teller habe ich ein sehr ambivalentes Verhältnis. Sein bestes Bild ist jenes, wo er nackt am Grab seines Vaters steht mit einer Flasche Bier in der Hand. Ich habe mich zuletzt aber kaum mehr mit ihm beschäftigt.

DER STANDARD: Sie betonen immer wieder die Funktion von Modefotografie als Seismograf einer Gesellschaft. Was meinen Sie damit genau?

Gundlach: Mode spiegelt den Zeitgeist wider, sie kreiert Trends oder zeigt sie auf. Nehmen wir die 1960er – da änderte sich das Frauenbild: Frauen gingen zur Arbeit, kleideten sich sportlicher. Das alles ist an der Mode ablesbar – und an der Modefotografie.

DER STANDARD: Wann hatte die Modefotografie später noch einmal eine solche Bedeutsamkeit?

Gundlach: Ein interessanter Moment war, als die Künstler Mitte der Achtziger die Fotografie entdeckten, ähnlich wie in den Dreißigern in der Bauhaus-Zeit. Heute sind wir an einem Punkt, an dem sich die Fotografie durch die Digitalisierung grundsätzlich verändert. Alles ist verfügbar. Der Kampf zwischen Print und Internet ist allerdings schon zugunsten des Internets entschieden.

DER STANDARD: Was bedeutet das für die Modefotografie, die ja hauptsächlich in Magazinen veröffentlicht wird?

Gundlach: Wenn Menschen zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen, wird alles Haptische wieder wichtiger. Ich bin also nicht grundsätzlich skeptisch, was die Zukunft der Modefotografie anbelangt. Es wird darauf ankommen, ob die Fotografie die Möglichkeiten und Themen, die sich ihr bieten, auch aufnimmt.

DER STANDARD: Schon lange steht die Mode selbst nicht mehr im Mittelpunkt der Modefotografie.

Gundlach: Das ist richtig, aber Susan Sontag hat einmal gesagt, die Reproduktion eines Kleides ist noch lange keine Modefotografie. Ein Modefoto ist die Interpretation und nicht die Darstellung eines Kleides. Das sollte man nie vergessen.

(Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/21/10/2011)