Klare Linien, schmucke Details: Mode aus der aktuellen Herbstkollektion.

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Aus der nächsten Frühjahrskollektion von Schella Kann.

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Anita Aigner und Gudrun Windischbauer.

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Man muss sich das Wien der 1980er-Jahre als eine sehr kleine Stadt vorstellen. Da gab es das U4, und da gab es das Motto, und wer damals in einem der beiden Lokalitäten beschäftigt war, der hatte gute Chancen, den Großteil der Wiener Kreativszene zu kennen. Gudrun Windischbauer stand im Motto hinter der Garderobe, Anita Aigner arbeitete dagegen an der Bar im U4. Gefiel einer Kundin ihre selbstentworfene Lederjacke, dann nahm sie einfach Maß an ihr - und beim nächsten Besuch hatte sie dann selbst eine. Als die beiden schließlich bei einer von U4-Chef Ossy Schellmann organisierten Modeschau mitmachten und zu "Goldenen Modeschöpfern" gekürt wurden, war klar: Sie brauchten ein eigenes Label.

Strahlender White Cube

Der Name, der ihnen dafür einfiel (anfangs war auch Arnold Haas, der heutige Wubet-Designer, noch mit dabei), ist einer dieser typischen 80er-Jahre-Fantasienamen: Schella Kann. Heute, 27 Jahre später, prangt er in großen Lettern auf dem Portal und der rückwärtigen Spiegelwand des Geschäftslokals, das Windischbauer und Aigner vor einigen Wochen in der Spiegelgasse in bester Wiener Innenstadtlage eröffnet haben. Ein strahlender White Cube, klar strukturiert und hochmodern, in den ein schwarzer Stahlkäfig eingepasst ist. Wer das aus allen Nähten platzende Atelier der beiden nur eine Straße weiter gekannt hat, der wird sich verwundert die Augen reiben.

Nach einem guten Vierteljahrhundert mit vielen Aufs und Abs haben Schella Kann für sich und ihre Mode eine Heimat geschaffen. Noch können es die beiden selbst nicht ganz fassen, wie zwei kleine Mädchen kichern sie um die Wette. "Unsere Kunden sind gemeinsam mit uns alt geworden, es wurde Zeit, dass wir uns nach neuen umschauen." Die Voraussetzungen dafür, muss man sagen, sind mehr als günstig. Die Mode von Schella Kann strahlt die Ruhe aus, die normalerweise nur erfahrenen Menschen zu eigen ist. Sie ist aber nicht langweilig. Oder, um es anders auszudrücken: Schella Kann ist ein Label, das sowohl Mütter als auch ihre erwachsenen Töchter tragen. In diesem Herbst kann die Tochter zum Beispiel zu einem ärmellosen Tunikakleid aus feinstem gestepptem Schaf-Nappaleder greifen, die Mutter dagegen zu einem eingezogenen Rock aus hochwertigster Seide.

"Anita", sagt Gudrun Windischbauer, "designt Mode, die eine gewisse Strenge hat. Sie wird allerdings immer gebrochen, sei es etwa durch eine Rüsche oder eine Bordüre."

Klare Arbeitsteilung

Anita Aigner ist die Kreative der beiden. Während sich Windischbauer um Marketing und Produktion kümmert, designt Aigner die Kollektionen. An dieser Arbeitsteilung hat sich über die Jahre hinweg nichts geändert. Warum auch? Beide machen das, was sie am besten können bzw. was sie in der Vergangenheit gelernt haben. Dabei haben sie einiges an Lehrgeld bezahlt.

"Die 80er-Jahre waren ein Rausch, die 90er haben wir damit verbracht, die Schulden von damals zu begleichen." Erst als Schella Kann anfing, Corporate Mode zu entwerfen, also für Unternehmen Mode zu entwerfen, besserte sich ihre (finanzielle) Situation. Der zweite Glücksgriff war die Einführung einer Zweitkollektion, und zwar aus Stretch: Sie besteht aus Basics, die aber allesamt einen besonderen Twist haben - und auch etwas preiswerter sind. Im Geschäft in der Spiegelgasse gibt es natürlich beide zu kaufen. So wie es sich für ein richtiges Label gehört. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/14/10/2011)