Roland Velich

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Und sein Moric.

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Vor zehn Jahren war Moric kaum mehr als ein Name, mit dem der aus dem Seewinkel stammende Winzersohn Roland Velich sein Rotweinprojekt auf großteils gepachteten Rieden im Mittelburgenland bezeichnete. Heute nehmen die Weine mit den betont schlichten Moric-Etiketten in der heimischen Weinszene eine Ausnahmestellung ein, und auch international bekommen die Sommeliers leuchtende Augen, wenn die Rede auf die Blaufränkischen mit dem magyarischen Namen kommt.

"Velich is simply the best", meint etwa Pontus Eloffsson, der immerhin im legendären Restaurant Noma zu Kopenhagen für die Weinauswahl zuständig ist. In der einflussreichsten Weinpublikation der Welt, Robert Parkers The Wine Advocate, erhielten Blaufränkische aus diesem Projekt bis zu 95 von 100 Punkten - so viel wird normalerweise nur den Spitzengewächsen aus Bordeaux, Kalifornien, Burgund oder der Rhône zugedacht. Und das, obwohl sie weder dem kolportierten Parker-Geschmack entsprechen noch sich sonst in einem der bekannten und üblicherweise als einzig erfolgversprechenden Rahmen bewegen.

Großer Wein nach seinen Vorstellungen

Roland Velich, der unter anderem Jus, Politikwissenschaften und Philosophie studierte und zehn Jahre lang als Croupier seine Familie ernährte, hat - in mancher Augen möglicherweise verspätet - aber dafür umso heftiger Feuer für die Weinmacherei gefangen. Er entwickelte seine Vorlieben, erwarb Wissen, wie es in anderen Weltweinregionen läuft und was große Weine dort auszeichnet. Am Ende stand eine genaue Idee davon, welche Eigenschaften großer Wein haben muss. Und Blaufränkisch erschien ihm die Sorte, mit der man alle diese Ansprüche im Burgenland umsetzen kann. Denn das Burgenland biete einfach grandiose Möglichkeiten zum Weinmachen, wie er immer wieder betont.

Obwohl er aus einer Winzerfamilie in Apetlon stammt, waren keine ererbten oder übergebenen Flächen vorhanden, die als Basis für sein eigenes Weingut dienen konnten. Im Zuge zahlreicher Touren durchs Burgenland entdeckte er in Lutzmannsburg und Neckenmarkt Weingärten mit sehr alten Rebstöcken und Schiefer- wie auch Kalkböden von großer Qualität. Sie erschienen ihm ideal, um großen Wein nach seinen Vorstellungen entstehen zu lassen; puristisch ohne martialische Kellertechnik im Hintergrund, nur auf die Eigenschaften der Sorte in ihrem speziellen Umfeld vertrauend.

Velich ist mit seinem Blaufränkisch-Projekt auch in der Vermarktung völlig andere Wege gegangen, als das in Österreich üblich ist - was ihm prompt Querschläge und einen Ruf als schwieriger Eigenbrötler eingetragen hat. Ohne den üblichen Weg durch die österreichischen Verkostungsinstanzen zu gehen, suchte er sich Importeure und überzeugte die "richtigen" Journalisten und Sommeliers von der Qualität seiner Weine, die dann als Verteiler wirkten: "Marketing in unserer Branche heißt, sich sein Publikum zu suchen." RONDO traf den eigensinnigen Winzer zum Gespräch.

DER STANDARD: Ihre Moric-Weine sind einige der international präsentesten Kreszenzen des Burgenlands - wie kam es dazu?

Roland Velich: Es gab jetzt keinen Schlüsselmoment, in dem ich dachte: "Aha, jetzt muss ich es so machen." Es war einfach die über viele Jahre andauernde Begegnung mit dem Burgenland. Verortung war dabei immer ein wesentlicher Bestandteil, schon in Apetlon: Das bedeutet, den Platz, wo Wein steht, im Wein wieder zu finden.

DER STANDARD: Sie sind aus dem Seewinkel, leben bei Eisenstadt - wieso findet Moric im Mittelburgenland statt?

Velich: Ich weiß auch nicht, wieso mir immer an Orten etwas liegt, die nicht so begangen sind. Damals kamen die bekannten Winzer dort aus Horitschon und Deutschkreutz. Von Neckenmarkt hat kaum jemand, von Lutzmannsburg hat überhaupt niemand gesprochen. Aber ich hab dort eine Substanz gefunden, die ganz wunderbar war: die Böden, Schiefer und Kalk, und die alten Rebstöcke. Das hat mich vom Fleck weg fasziniert. Es ist wichtig, dass man in großem Bewusstsein an diese Plätze geht und versucht, denen mit den richtigen Mitteln der Weinmacherkunst zu begegnen. Das Burgenland erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Wir brauchen Publikum, das in der Lage ist, diesen zweiten Blick werfen zu können. Und das ist in der Regel nicht die Masse, sondern spezielles Publikum. Das Gleiche gilt natürlich für Wein.

DER STANDARD: Was ist großer Wein, kann Blaufränkisch großer Wein sein?

Velich: Eine Rebsorte ist groß, wenn sie Herkünfte transportieren kann. Ich bin fest davon überzeugt, dass großer Wein unter speziellen Gegebenheiten, was Klima und Böden betrifft, wachsen muss. Was daraus entsteht, muss man dann auch zulassen können, also große Zurückhaltung im Keller üben. Es war vor allem die Tatsache, dass Blaufränkisch schon sehr lange vorhanden war. Die Alten waren ja nicht blöd, aber arbeiteten unter völlig anderen und sehr schwierigen Rahmenbedingungen, wenn man die Geschichte des Burgenlands hernimmt. Die Sorte hätte sich nicht so lange gehalten und so weit verbreitet in der Region, wenn sie nicht Qualität geliefert hätte. Quantität spielte damals auch eine wichtige Rolle. Also war die Rebsorte Blaufränkisch diejenige, die in der Lage war, unter diesen Bedingungen die höchsten Qualitäten hervorzubringen.

DER STANDARD: Gab es Blaufränkisch-Vorbilder?

Velich: Es gab einige gute Belegexemplare. In der Regel waren das Weine, die weniger engagiert in der damaligen Geisteshaltung gemacht wurden, eher einfachere Weine, die knackige Säure hatten, eine charmante Frucht, oft auch eine gewisse Rustikalität, was wieder mit den Erträgen zusammenhängt. Aus diesen Parametern hab ich mir dann sozusagen mein Päckchen geschnürt. Wesentlich war die Erkenntnis, dass wir ein kühles Rotweinland sind. Das war auch mein erster großer Frevel in der Wein-Öffentlichkeit. Bei uns wachsen Feigen, und je wärmer, desto besser, hieß es immer. Ich kann mich noch gut erinnern an eine Zeit, als es immer so verschwörerisch geheißen hat - pfau, der Wein hat 13,5 Alkohol, der ist super.

DER STANDARD: Welcher Geist hat damals geherrscht?

Velich: Der Wunsch, Bordeaux zu kopieren. Es ging vielen darum, sich ein erfolgreiches Vorbild zu nehmen und dem nachzueifern, diese Erfolgsgeschichte ins Burgenland umzulegen und zu reüssieren. Es war ja auch erfolgreich und ist es heute noch. Aber ich bin der Meinung, dass es nicht nur solche Weine geben soll. Wenn man von der These ausgeht, dass das Burgenland ein großes Weinland ist - und meines Erachtens ist das Realität -, dann muss man auch Vertrauen haben zu dem, was da ist. Das waren so die Grundgedanken zu Beginn von Moric: Und wenn sich nicht herausstellt, dass Blaufränkisch die große Rebsorte ist, die wir gehofft haben, dann machen wir zumindest ehrlichen Wein, der auch seine Berechtigung hat.

DER STANDARD: Was bedeutet diese Verortung bei Wein?

Velich: Ich hab eine ganze Sammlung von alten Etiketten zu Hause, auf denen die Orte angegeben sind, Deutsch Schützener Blaufränkisch, Oggauer Blaufränkisch ... Und damit hat man einen Stil verbunden, der damals, bevor es exzessive Verwendung von Technologie gab, ja auch vorhanden war. Es ist ja im Grunde nichts anderes als dieser Terroir-Gedanke, von dem überall gefaselt wird, der zu oft als Marketinginstrument missbraucht wird und nicht immer in den Weinen zu finden ist.

DER STANDARD: Das heißt, Blaufränkisch schmeckt immer anders, wo auch immer er aus dem Burgenland herkommt?

Velich: Die Idee, weshalb ich diese Verkostungsserie "Bekenntnis zu einer großen Rebsorte" initiiert habe, war es zu zeigen, welchen Ausdruck Blaufränkisch innerhalb der Bandbreite der Rebsorte haben kann. Das zeigt auch die Komplexität dieses Weins. Ich sage ja nicht, dass Blaufränkisch nur in dieser kühlen Stilistik möglich ist. Aber ich glaube, dass wir mit diesem Stil international im Branding und im Platzieren dieser Weine eine echt große Chance haben. Es gibt wenige Regionen vor allem in Europa, die dieses kühle Element der Frische, der pikanten Frucht haben und auch die Möglichkeit, die Ernte hinauszuzögern, ohne große Überreife zu bekommen.

DER STANDARD: Sie haben sich mit dem Künstlerkollektiv AO& um Philipp Furtenbach zusammengetan, die in New York, London oder am Arlberg Kunstprojekte rund ums Essen inszenieren. Ist das die erste Kooperation dieser Art?

Velich: Ich habe ein Faible für Kunst, und ich wusste von Furtenbachs Arbeit. Dann sind wir am Arlberg ineinandergelaufen. Seither stelle ich meist die Weine zu den Performances. Das ist eine ganz enge Kooperation geworden. Es geht nicht nur ums Kochen, sondern auch ums Herstellen von Räumen, auch um soziale Räume, die entstehen, wenn man gemeinsam isst. Es geht um eine ganze Verkettung an Geschichten, die mit einem kulinarischen roten Faden in Zusammenhang stehen. Und die soziale Komponente beim Essen und Trinken ist ja ganz eine wesentliche und wird bei Furtenbach auf den Punkt gebracht als Kunstsetting.

DER STANDARD: Und wenn es nun tatsächlich nur ehrlicher Wein geworden wäre. Gab's jemals Zweifel?

Velich: Das waren weniger Zweifel als konsequente Haltung. Ich war keinesfalls gewillt, den Menschen ein X für ein U vorzumachen: Nämlich wenn es doch nicht so ist, wie ich gedacht hab', dann reden wir wenigstens so als ob. Zweifel? Nein. Ich hatte einfach von Anfang an eine Riesenfreude mit der ganzen Geschichte. In der Regel wird der Wein von jemandem getrunken, den man nicht kennt. Ich kriege Fotos zugeschickt von Menschen, die ich noch nie gesehen hab, mit einer Flasche Moric in der Hand. Das heißt, es funktioniert ohne den Menschen dahinter, sondern als Produkt allein. Also kann auch die These über das Burgenland und die Rebsorte so falsch nicht sein. Große Dinge sind oftmals dazu da, neben der intellektualisierten Betrachtung Emotionen zu generieren. "Ich weiß nur, was mir schmeckt, und kann es nicht erklären" - das ist sozusagen der erste Schritt in diese Welt. (Luzia Schrampf/Der Standard/rondo/29/07/2011)