Hier scheint ganz mühelos alles am rechten Platz: Zeitung, Regenschirm, Kopftuch, Sonnenbrille und Lächeln. Jacqueline Kennedy bzw. Onassis auf Capri.

Foto: Settimio Garritano

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Foto: Settimio Garritano

Das glamouröse Präsidentenpaar wurde an diesem 22. November 1963 in einem dunkelblauen 1961er-LincolnContinental durch Dallas chauffiert. Das Verdeck der Limousine blieb offen, und die vielen Fans am Straßenrand konnten und sollten das pinkfarbene Kostüm der eleganten First Lady sehen. Es war im Chanelstil gehalten, angefertigt vom exklusiven New Yorker Atelier Chez Ninon, das darauf spezialisiert war, edle Kopien tonangebender Pariser Kollektionen anzufertigen. Um halb eins fielen dann bekanntlich die tödlichen Schüsse. Jacqueline Kennedy trug ihr blutbespritztes Kostüm noch während der Vereidigung Lyndon B. Johnsons, in der Nacht nach dem Attentat an Bord der Air Force One, und sie behielt die Kleider weiterhin an, als sie den Sarg ihres Mannes nach Washington begleitete. Erst am Tag nach der Ermordung war sie schließlich bereit, sich umzuziehen. Die Weltpresse sollte festhalten, was ihrem Mann angetan worden war.

Tatsächlich erinnern in erster Linie die Fotos der jungen Präsidentengattin in ihrem rosa Kostüm mit seinen blutigen Flecken an ein politisches Ereignis, das möglicherweise wohl auch wegen dieser Bilder kaum an Vehemenz eingebüßt hat. Das Kostüm mit dem Blut Kennedys befindet sich heute in den National Archives der USA, wird jedoch nicht zur Schau gestellt. Ohnehin ist es aus einem Atlas, der das historische Bewusstsein der Vereinigten Staaten von Amerika wiedergibt, nicht mehr wegzudenken.

Kettenrauchende Jackie

Jacqueline Kennedy hatte auch schon lange vor diesem traumatischen Ereignis die Bildpolitik ihrer eigenen Selbstdarstellung, die freilich untrennbar mit jener ihres Mannes verbunden war, gleichermaßen gezielt wie sicher gesteuert. So wurde beispielsweise nie das Foto einer kettenrauchenden Jackie veröffentlicht, die so auf keinen Fall gezeigt werden wollte. Nur Bilder eines gutaussehenden, modernen, selbstbewussten und augenscheinlich glücklichen Paares drangen nach außen und haben sich in das kollektive Gedächtnis der medialen Weltöffentlichkeit eingeschrieben. Die jungen Kennedys schienen mit allen Privilegien ausgestattet, Schönheit, Manieren, Gesundheit, Reichtum und Verstand, und sie personifizierten ein Amerika, das es wie kaum je zuvor mit dem Rest der Welt auch an Geschmack, Eleganz und Kultur aufnehmen konnte.

Zwei Wochen nach der Ermordung verließ Jacqueline Kennedy das Weiße Haus und bezog ein Apartment an der Fifth Avenue. Es gab wohl immer wieder Gerüchte über eine Wiederheirat mit allen möglichen Herren - englische Aristokraten oder amerikanische Gentlemen boten sich an -, doch "America's Queen" schien in ihrer Rolle als Witwe und Schwägerin des möglicherweise nächsten Präsidenten der USA wie gefangen. In der Nacht vom 4. zum 5. Juni 1968 wurde schließlich auch Robert Kennedy Opfer eines Attentats.

Zwischen Yachten und Opernsängerinnen

Im Oktober desselben Jahres heiratet Jacqueline Kennedy den um 23 Jahre älteren griechischen Milliardär Aristoteles Onassis und verbringt die nächsten Jahre vor allem auf Reisen. Amerika war empört, dass sich die edle First Lady an einen Mann wegwarf, der so wenig ebenbürtig schien und sie doch nur unter seine Trophäen einreihte, zwischen großen Yachten und überragenden Opernsängerinnen.

Aus der Witwe war nun eine Pop-Ikone geworden. Der Rollenwechsel schien vollbracht. Die Bilder aus den 1970er-Jahren zeigen "Jackie O." auf einer ununterbrochenen Tour, nur selten begleitet von ihrem neuen Ehemann, aber immer von Paparazzi, die ihr überallhin folgten. Ihre andauernde Reise führte sie nach Griechenland, auf die Privatinsel ihres Mannes, sehr gern auch nach Capri und überall dorthin, wo es ihr möglich war, Chanel und andere internationale Designer nicht nur in amerikanischer Machart, sondern im Original zu tragen, vor allem auch zu kaufen, ohne Rücksicht auf nationale Interessen.

Nach wie vor fasziniert an Jacqueline Kennedy genauso wie an Jackie O., dass sie die Neugierde der Presse nicht nur ertrug oder auch genoss, sondern sehr gezielt für ihre zunächst politischen und später vor allem privaten Absichten einzusetzen wusste, vielleicht sogar noch lukrativer - im persönlichen wie im ökonomischen Sinn -, als es viele Jahre nach ihr Prinzessin Diana oder Paris Hilton gelingen sollte.

Untote Superwitwe

Die Paparazzifotos von Jackie O. dokumentieren bis heute den durchaus kalkulierten Auftritt, den die schicke Amerikanerin bot. Sie wurde nicht "abgeschossen", sondern benutzte die öffentliche Aufmerksamkeit, um sich im Schutz einer Stratosphäre der Superreichen, in die sie hineingeheiratet hatte, von einer lebenden, ja geradezu schon untoten Superwitwe in eine vergnügte Privatperson zu verwandeln, die nicht mehr den Projektionen einer Nation, sondern ihren höchstpersönlichen Interessen und Talenten nachkommen wollte.

Doch Jackie O.s Strategie (oder Glück?), sich in einen der damals reichsten Männer der Welt verliebt zu haben, weist zugleich auf die enge Geschlechterpolitik hin, die auch noch in den 1970ern vorherrschend war und nicht nur die oberen Zehntausend betraf.

Es bedurfte offenbar immer noch eines Mannes, selbst an der Seite einer ohnehin souveränen, talentierten und attraktiven Frau, damit diese sich imstande sehen konnte, ihre Vorstellungen von einem glücklichen Leben umzusetzen. (Brigitte Felderer/Der Standard/rondo/08/07/2011)