Jil Sander...

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...und Prada gaben den Trend vor,...

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...Lanvin und viele andere folgten.

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Wenn Raf Simons und Miuccia Prada einen Einfall haben, dann macht das schnell die Runde. In diesem Frühjahr schoss den beiden haargenau die gleiche Idee durch den Kopf - nämlich Streifen. Nicht als lauwarmer Wiederaufguss des Ringelklassikers à la Coco Chanel, sondern en bloc und somit nicht zu übersehen. Dennoch kommt die diesjährige Neuauflage des Streifs in beiden Fällen höchst eigenwillig daher: Bei Prada treffen schwarze Blockstreifen in unterschiedlicher Breite auf Knallfarbe: So knallt es Pink, Orange, Grün oder Blau im strengen Streifendesign auf neobarockes Mustergeschwulst aus Affen und Bananen - ein ironisches Augenzwinkern der Designerin inklusive.

Bei Jil Sander geht es streifentechnisch gesitteter zu: Hier trifft kräftig Längs- auf kräftig Quergestreiftes, allerdings in durchgehend minimalistischer Manier. Die Farben: Schwarz, Blau, Rosé, immer kontrastiert mit Weiß. Das hat weniger von einem streckenden Schlankmacheffekt der Längsstreifen wie beim Goscinny'schen Comichelden Obelix als vielmehr einem zeitgeistigen Modestatement. Der Nerv wurde nämlich offenbar in beiden Fällen getroffen: Die klassischen Ringel des letzten Jahres sind erwachsen geworden, so der Tenor der Magazine. Die Nachahmungen der Prada-Blockstreifen zumindest verbreiten sich über die Modeketten bereits virusartig.

Verbot von Streifen

Doch so spielerisch Streifen heute längs wie quer wie diagonal kombiniert werden, so negativ besetzt waren sie in der Vergangenheit. Im 13. Jahrhundert musste der Karmeliterorden noch sein braun-weiß-gestreiftes Gewand gegenüber dem Papst verteidigen, wollte der doch gemäß dem alttestamentarischen Gebot "Es soll kein Kleid auf Deinen Leib kommen, das aus zweierlei Fäden gewoben ist" dem unliebsamen Bettelorden das Tragen von Streifen untersagen. Überhaupt diente das Streifenmuster im Mittelalter in erster Linie der Diskriminierung. Prostituierte, Gaukler oder Henker wurden mittels gestreifter Kleidungsstücke gebrandmarkt, um einiges später wurde die zumeist afrikanische Dienerschaft in venezianischen Patrizierhäusern in gestreifte Blusen gesteckt. Mit der Amerikanischen Revolution wurden die Streifen schließlich politisches Symbol, in Europa breitete sich daraufhin auf Kleidern, Jacken, Westen oder Hosen, dann auch im Interieurbereich auf Tapeten oder Vorhängen eine regelrechte Streifenmanie aus.

Streifenshirt als Klassiker

Und heute? Beherrscht nach wie vor die Interpretation des maritimen Ringelstreifs - von Seemännern importiert - die textile Mode. Und das in unendlicher Variation. Das bretonische Streifenshirt, seit Mitte des 19. Jahrhunderts Teil der französischen Marineuniform, ist mittlerweile Bestandteil des kollektiven Modegedächtnisses und wird jede Saison aufs Neue durchdekliniert. Und das für Männer wie für Frauen, zumal es einige zu wahrhaften Streifenvorbildern gebracht haben: Ob Andy Warhol und sein Factory-Star Edie Sedgwick, die sich im blau-weiß gestreiften Marineshirt verewigten, oder Jean Seberg, die Ende der 50er in Außer Atem mit Ringelshirt und Pixie-Frisur nicht nur Jean-Paul Belmondo schwach machte. Dann wären da noch die Herren Picasso und Gaultier oder Drew Barrymoore, die E.T. in Streifenoberteil und Latzhose küsste.

Denn kindlich und verspielt ist die andere Seite des zumeist schmalen Ringels, der sich vor allem auf der Wickelbank großer Beliebtheit erfreut.

An der männlichen Sportlerbrust scheint er hingegen gar nicht gern gesehen. Das lässt zumindest die Diskussion um das neue Trikot der französischen Nationalmannschaft vermuten. Dabei sieht das von Nike entwickelte und Karl Lagerfeld inszenierte Stoffstück aus modischer Perspektive eigentlich ganz gut aus: schlicht und ergreifend schwarz-weiß gestreift. Dennoch Grund genug für eine hitzige Debatte - und das im Land der Mode!

An geringelte Babystrampler fühlen sich die einen erinnert, an Sträflingskleidung die anderen. Denn was Coco Chanel Anfang des 20. Jahrhunderts im Zuge der zeitgenössischen Marine-Euphorie in der Frauenmode zum Statement erklärte und Heerscharen von Designern euphorisch neu auflegten, ist auf dem Fußballfeld eine Debatte wert.

Männerringel

Auf dem Pariser Laufsteg hingegen wird diese Saison der Blockstreif auch an den Männern ausgetestet - und niemand regt sich drüber auf. Bei Lanvin haben Alber Elbaz und der Männermodedesigner Lucas Ossendrijver schwarz-weiße Längsstreifen über T-Shirts, Hemden und Hosen gelegt. Marc Jacobs verordnete für Marc by Marc Jacobs den Männern ebenfalls saftige Horizontalstreifen über der Brust. Doch auch ganz woanders können männliche Streifenträger ungestört agieren: In Venedig beherrschen die Gondoliere in blau- oder rot-weiß gestreiften Oberteilen das Stadtbild. Die gleichen heutzutage zwar mehr einer touristischen Zwangsjacke als einer echten Arbeitskluft, doch die Streifendebatte des französischen Fußballs ist hier weit weg. Dabei sollen die gestreiften Nationalmannschaftstrikots doch eigentlich eh nur im Ausland zum Einsatz kommen. Kein Grund zur Aufregung also. (Anne Feldkamp/Der Standard/rondo/13/05/2011)