Seit Herbst verkauft www.vente-privee.com auch in Österreich.

Foto: Hersteller

Jacques-Antoine Granjon

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Die Dame ist adlig, so viel steht fest. In Deutschland und Österreich nennt sie sich Nina von Winterfeld, in Frankreich Cécile de Rostand und in Italien Sofia Dell'Ambra. Wer einmal beim Online-Shopping-Club Vente Privée etwas bestellt hat, der ist mit ihr bestens bekannt.

Jede E-Mail, die von Vente Privée verschickt wird und in der Büstenhalter von Intimissimi, Bergschuhe von Vaude oder Sonnenbrillen von Dolce & Gabbana angepriesen werden, trägt als Absender ihren Namen. Ein Mail von Nina von Winterfeld bedeutet, dass in einigen Tagen wieder Artikel von einer bekannten Marke abverkauft werden - und man sich schon einmal gedanklich darauf einstellen sollte, die Kreditkarte zu zücken.

Die personalisierten E-Mails sind nur eine der vielen Strategien, die Vente Privée im Laufe des vergangenen Jahrzehnts zum wichtigsten Onlinehändler für Warenüberhänge gamacht hat. Bevor ein Unternehmen auf seiner Ware sitzenbleibt, verkauft es diese in einer konzentrierten Aktion auf Vente Privée. Innerhalb weniger Stunden gehen Zehntausende von T-Shirts oder Hunderte von Staubsaugern über den virtuellen Ladentisch. Einen Umsatz von knapp einer Milliarde Euro hat der Onlineshop im vergangenen Jahr erzielt. 2011, sagt Jacques-Antoine Granjon, wird es noch einmal wesentlich mehr sein.

Dem Abverkauf ein neues Gesicht gegeben

Granjon ist der Gründer und Chef von Vente Privée, und genauso überraschend wie die Erfolgsgeschichte seines Onlineshops sieht auch er selbst aus: lange Haare, verwaschene Jeans, große Ringe an den Fingern. Mehr als zwei Jahrzehnte verhökerte er Abverkaufsware an Ramschläden - mit überschaubarem Erfolg. Doch dann kam das Internet, und bald gehörte Granjon zu den hundert reichsten Privatpersonen von Frankreich. Weil er, wie er selbst sagt, dem Abverkauf ein neues Gesicht gegeben hat: jenes von Cécile de Rostand oder Nina von Winterfeld. Eine Dame mit einem solchen Namen verkauft keinen Ramsch, sondern ausgewählte Markenprodukte - und das ausschließlich an Leute, die Mitglied im Club sind: im Vente-Privée-Club.

Granjon ist es mit seinem Onlineshop gelungen, Abverkaufsware den Geruch des Billigen zu nehmen. Selbst Luxushersteller vertrauen ihm mittlerweile ihre übriggebliebenen Produkte an. "Viele Unternehmen glauben, dass sie ihr Image im Internet nicht kontrollieren können. Das Gegenteil ist der Fall." 31 Fotostudien besitzt das Unternehmen in seiner Konzernzentrale vor den Toren von Paris, 60 Fotografen sind durchschnittlich dabei, die angebotenen Produkte zu fotografieren. Eine ganze Abteilung an jungen Kreativen tüftelt für jeden Abverkauf ein eigenes Imagevideo aus. In drei Tonstudios wird dafür eigens komponierte Musik gemischt.

Einkaufen zum Erlebnis machen

"All das kostet", sagt Granjon "allerdings bei weitem nicht so viel wie Unternehmen ansonsten für ihr Image ausgeben." Herkömmlichen Shops prophezeit der Franzose nur dann eine Zukunft, wenn sie Einkaufen zum Erlebnis machen: "Ich habe nie bei Armani eingekauft, ich mag seine Mode nicht. Aber seitdem Armani-Shops teilweise auch angeschlossene Armani-Cafés haben und man dort Spaghetti mit Tomatensoße kriegt, gehe auch ich zu Armani." Um Produkte wie jene des italienischen Designers zu verkaufen, sei es auch online wichtig, das Einkaufserlebnis so exklusiv als möglich zu gestalten.

Aus diesem Grund haben Suchmaschinen auf Vente Privée keinen Zugriff. Nur "Clubmitglieder" haben Einblick, welche Verkäufe gerade laufen, Produkte und Preise sind nachträglich nicht mehr zu eruieren. "Eine starke Marke braucht niemanden, der einen auf sie hinweist", ist Jacques-Antoine Granjon überzeugt. Höchstens, wird man hinzufügen müssen, eine Cécile de Rostand oder Nina von Winterfeld. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/15/04/2011)